Die Prophezeiung [V]
[Zum Anfang - Teil I - der Kurzkrimis]
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Äbtissin Margitta lag mit ausgebreiteten Armen bäuchlings vor dem großen Holzkreuz, das ihr Privatgemach zierte. Schwester Gunhild hatte Richmodis sofort nach ihrer Rückkehr zu Margitta geleitet. Mit rotgeweinten Augen wie ein krankes Kaninchen, und ebenso verschreckt und stumm. Richmodis blieb stehen und betete dreimal hintereinander still den Psalm Dominus pascit me, ihr persönliches Notfallgebet. Gerade wollte sie ein viertes Mal beginnen, den Herrn als Hirten anzurufen, als Margitta endlich würdevoll aufstand und sich noch einmal verbeugte, bevor sie sich zu ihr umdrehte. Sie machte sich auf einen Schwall von Vorhaltungen gefasst, doch Margitta hob beschwichtigend die Hand.
„Es ist gut, dass du da bist“, sagte sie nur und lud mit einer müden Bewegung der Hand ein, Platz zu nehmen.
„Wo immer du auch warst, du schuldest dem Allerhöchsten Dank dafür, dass Er in Seiner Güte dir das Schauspiel erspart hat, das sich heute erneut in unserer Basilika zugetragen hat.“ Margitta bedeckte mit zittriger Hand kurz ihre Augen. „Die Neueinweihung ist missglückt. Mehr noch, wir müssen davon ausgehen, dass Satan selbst unsere Basilika besetzt hält. Ich habe beim ehrwürdigsten Erzbischof um die Aussendung eines Exorzisten nachgesucht.“
Richmodis spürte, wie alles Blut in ihrem Körper hinunter zum Herzen strömte. In ihren Ohren dröhnte es. Sie bekreuzigte sich hastig. Die Oberin schilderte knapp und ohne auf ihre Verstörung zu achten, den Verlauf der Ereignisse.
Die Zeremonie sollte mit dem festlichen Einzug des Priesters, der Messdiener und einiger Brüder aus St. Gereon beginnen. Dem Zug voraus lief ein junger Oblate, der das Prozessionskreuz trug. Bleich wie sein Leinengewand sei er gewesen.
Alles ging gut, bis zu dem Moment, als sie das Querschiff erreichten, wo immer noch ein riesiger dunkler Fleck auf dem Steinboden, der trotz aller Bemühungen nicht verschwinden wollte, an das schreckliche Ende von Bruder Fulbert gemahnte.
Der Jüngling, - Margitta beschrieb ihn als zartgliedrig, von ausgesprochen weibischem Aussehen mit großen, glutvollen Augen, - sackte auf der Stelle in Krämpfen zusammen, wand sich wie ein Wurm, schrie, heulte und knirschte mit den Zähnen zum Gottserbarmen, bis er sich geräuschvoll erbrach.
Die eine Hälfte der Anwesenden verharrte wie vom Blitz getroffen, die andere brach in helle Panik aus, die von dem Volk, das kreischend hereingeströmt kam, weil sie glaubten, ein Dämon wüte in ihrer Kirche, noch geschürt wurde. Derweil versuchte der Priester sein Heil in der Flucht. Der Anblick des fliehenden Priesters versetzte die Schwestern in noch heilloseren Schrecken und so versuchten die einen, verzweifelt hinauszudrängen, während andere von draußen hereinströmten. Die wenigen, die löblicherweise aufgesprungen waren, um dem leidenden Jungen zu helfen, mussten mitansehen, wie er sich zuguterletzt das Prozessionskreuz mit der scharfen Spitze voran in den Rachen rammen wollte. Der Versuch schlug fehl, die Spitze glitt ab, durchbohrte sein linkes Auge und drang in den Vorderschädel ein.
An dieser Stelle des Berichtes schlug sich Richmodis, vom Grauen überwältigt, die Hände vors Gesicht und brach in Schluchzen aus.
„Heilige Muttergottes, hilf uns, steh uns bei!“, stammelte sie. „Lebt er denn noch?“
„Du hast Recht, sie anzurufen. Es ist alleine der gütigen Jungfrau zu danken, der Schlangenzertreterin, dass nicht noch mehr passiert ist. Der Junge lebt und liegt auf der Krankenstube, in der Obhut von Schwester Irmengard. Sie sorgt sich um ihn wie um ihren eigenen Sohn. Aber das Auge ging unwiederbringlich verloren, der Bader hat die Höhle ausbrennen müssen. Schwester Irmengard wacht nun und versucht das einsetzende Fieber zu senken. Der Herr helfe ihr und uns, arme Sünderinnen, die wir sind.“
Es war nicht nur die caritas, die Richmodis hinüber zur Krankenstube trieb, einem Stall, den man ausgebaut hatte und dessen Kräuter- und Gewürzdüfte es nie vollständig schafften, den Duft nach Heu und Pferden zu verdrängen. Sie beabsichtigte, sich von Schwester Irmengard einen schönen Becher mit Branntwein verordnen zu lassen, um etwas gegen das Ohrensausen zu tun, das sie seit dem Bericht der Oberin befallen hatte. Doch dann siegte ihre Neugier über ihre Schwäche und sie bat Irmengard, eine vollbusige Matrone mit Watschelgang und weichen, heilkundigen Händen, sie an das Lager des Schwerverletzten zu geleiten.
Gernots Schädel war bandagiert und er lag bereits im Fieber. Richmodis rührten seine schmächtige Gestalt und die Reinheit seiner Züge an, soweit sie unter dem Verband noch zu erkennen waren. Dann und wann wälzte er sich unruhig, die schmalen Hände mit den dünnen Fingern bewegten sich spinnenhaft- Richmodis erinnerten sie an die Weberknechte, die über die Wände ihres Zimmers huschten.
„Er leidet schwer. Kannst du ihm die Schmerzen nicht nehmen?“, wandte sie sich an die gütige Irmengard, die ihm mit Weihwasser die Lippen netzte. Zu ihrem Erstaunen zwinkerte die Heilkundige ihr zu. „Das Fieber bringt ihm süßere Träume, als meine Mittel es je könnten.“ Sie wies mit dem Kinn auf die deutliche Erhebung in der Mitte seines Leibes. „Unser Spatz steht in Flammen, aber es ist die Glut der Liebe, die ihn durchströmt. Wenn es nicht weiter steigt, ist es förderlich für ihn, denn sein Körper fühlt nicht die Schmerzen, sondern jene Freuden, die der Liebestraum beschert. Fast könnte man ihn beneiden ...“ Schwester Irmengards rundes Gesicht lief rosig an.
Richmodis dankte dem Herrn insgeheim, dass er sie nicht zur caritas, sondern zur Schreiberei berufen hatte. Jedoch, es war ersichtlich, die Fieberträume des Jungen erleichterten sein Los.
„Und hat er etwas gesagt?“
Irmengard zündete umständlich eine weitere geweihte Kerze an und platzierte sie am Fußende von Gernots Lager. Dann nickte sie langsam. „Immer wieder, immer das Gleiche. Wie eine Taube nach dem Täuberich ruft. Horch!“
Und Richmodis horchte. Wie Gernot sehnsüchtig immer wieder und wieder nach Fulbert rief.
Nach der Vesper genehmigten sich die Mutter Oberin und Richmodis zwei, drei Becherchen von Irmengards Branntwein, natürlich aus medizinischen Gründen. Endlich konnte sie auch die Ergebnisse ihres Besuches bei der Edlen Hroswitha zusammenfassen.
„Und deshalb“, schloss sie, „meine ich, ehrwürdige Mutter, dass Anselmus den Mord begangen hat. Fulbert und Gernot waren ein Liebespaar. Oh, hättet Ihr doch nur hören können, wie der Junge nach ihm schmachtete. Die Trauer muss ihn überwältigt haben. Der Anblick der Blutflecken, der Ort, an dem an seinem Geliebten ein grauenhaftes Verbrechen begangen wurde – eh, natürlich auch ein unvergleichlicher Frevel an den Gebeinen der Hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen – da fiel es mir wie ein Schleier von den Augen. Hatte ich eben noch erwägt, dass Anselmus voller Trauer sei? Nein, ich sage Euch, die Umkehr von Hroswithas Enkel geschah aus Schrecken und Furcht vor den Konsequenzen seiner furchtbaren Tat. Die teuflische Fratze der Eifersucht hat ihn überwältigt. Anselmus hat Fulbert nicht geliebt. Gernot schon!“
Sie lehnte sich hochzufrieden in ihrem Stuhl zurück und griff zerstreut nach dem Branntweinkrug. Margitta räusperte sich und schob ihren Becher mit einer nachdrücklichen Geste über den Tisch. Richmodis fuhr zusammen und beeilte sich, ihrer Oberin nachzuschenken.
„Alles wäre perfekt, wenn es nicht ausgerechnet der Enkel unserer Wohltäterin wäre, den du des Eifersuchtsmordes verdächtigst.“ Margitta unterdrückte einen Schluckauf. „Jedoch, wir werden alles unserem Herrgott und der Heiligen Muttergottes anempfehlen. Sie wissen, was zu tun ist. Wir gehen zu Bett. Von der Vigil bist du heute entbunden, aber sprich die Komplet mit Eifer und unter inbrünstiger Anrufung um Rat und Hilfe an alle Heiligen. Möge Gott dich segnen, geliebte Tochter.“
Richmodis vergaß nicht, diesen nächtlichen Wunsch ihrer verehrten Äbtissin zu erfüllen. Zur Vigil hätte sie tatsächlich nicht einmal dann aufstehen können, wenn in ihrer Stube Feuer ausgebrochen wäre.
Zur Laudes am nächsten Morgen erreichte sie die Nachricht, dass man Anselmus’ Leiche im Rhein treibend aufgefunden hatte. Obwohl alle von einem Unfall ausgingen und Anselmus in geweihter Erde begraben wurde – unverdient, wie Richmodis befand – versäumte sie es doch nie, für ihn, Hroswitha mit ihrer Familie und schließlich auch für den armen Gernot, der allmählich genas, jede Woche sieben Bußpsalmen zu beten. Von Ketzern aber träumte sie nie mehr.
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Äbtissin Margitta lag mit ausgebreiteten Armen bäuchlings vor dem großen Holzkreuz, das ihr Privatgemach zierte. Schwester Gunhild hatte Richmodis sofort nach ihrer Rückkehr zu Margitta geleitet. Mit rotgeweinten Augen wie ein krankes Kaninchen, und ebenso verschreckt und stumm. Richmodis blieb stehen und betete dreimal hintereinander still den Psalm Dominus pascit me, ihr persönliches Notfallgebet. Gerade wollte sie ein viertes Mal beginnen, den Herrn als Hirten anzurufen, als Margitta endlich würdevoll aufstand und sich noch einmal verbeugte, bevor sie sich zu ihr umdrehte. Sie machte sich auf einen Schwall von Vorhaltungen gefasst, doch Margitta hob beschwichtigend die Hand.
„Es ist gut, dass du da bist“, sagte sie nur und lud mit einer müden Bewegung der Hand ein, Platz zu nehmen.
„Wo immer du auch warst, du schuldest dem Allerhöchsten Dank dafür, dass Er in Seiner Güte dir das Schauspiel erspart hat, das sich heute erneut in unserer Basilika zugetragen hat.“ Margitta bedeckte mit zittriger Hand kurz ihre Augen. „Die Neueinweihung ist missglückt. Mehr noch, wir müssen davon ausgehen, dass Satan selbst unsere Basilika besetzt hält. Ich habe beim ehrwürdigsten Erzbischof um die Aussendung eines Exorzisten nachgesucht.“
Richmodis spürte, wie alles Blut in ihrem Körper hinunter zum Herzen strömte. In ihren Ohren dröhnte es. Sie bekreuzigte sich hastig. Die Oberin schilderte knapp und ohne auf ihre Verstörung zu achten, den Verlauf der Ereignisse.
Die Zeremonie sollte mit dem festlichen Einzug des Priesters, der Messdiener und einiger Brüder aus St. Gereon beginnen. Dem Zug voraus lief ein junger Oblate, der das Prozessionskreuz trug. Bleich wie sein Leinengewand sei er gewesen.
Alles ging gut, bis zu dem Moment, als sie das Querschiff erreichten, wo immer noch ein riesiger dunkler Fleck auf dem Steinboden, der trotz aller Bemühungen nicht verschwinden wollte, an das schreckliche Ende von Bruder Fulbert gemahnte.
Der Jüngling, - Margitta beschrieb ihn als zartgliedrig, von ausgesprochen weibischem Aussehen mit großen, glutvollen Augen, - sackte auf der Stelle in Krämpfen zusammen, wand sich wie ein Wurm, schrie, heulte und knirschte mit den Zähnen zum Gottserbarmen, bis er sich geräuschvoll erbrach.
Die eine Hälfte der Anwesenden verharrte wie vom Blitz getroffen, die andere brach in helle Panik aus, die von dem Volk, das kreischend hereingeströmt kam, weil sie glaubten, ein Dämon wüte in ihrer Kirche, noch geschürt wurde. Derweil versuchte der Priester sein Heil in der Flucht. Der Anblick des fliehenden Priesters versetzte die Schwestern in noch heilloseren Schrecken und so versuchten die einen, verzweifelt hinauszudrängen, während andere von draußen hereinströmten. Die wenigen, die löblicherweise aufgesprungen waren, um dem leidenden Jungen zu helfen, mussten mitansehen, wie er sich zuguterletzt das Prozessionskreuz mit der scharfen Spitze voran in den Rachen rammen wollte. Der Versuch schlug fehl, die Spitze glitt ab, durchbohrte sein linkes Auge und drang in den Vorderschädel ein.
An dieser Stelle des Berichtes schlug sich Richmodis, vom Grauen überwältigt, die Hände vors Gesicht und brach in Schluchzen aus.
„Heilige Muttergottes, hilf uns, steh uns bei!“, stammelte sie. „Lebt er denn noch?“
„Du hast Recht, sie anzurufen. Es ist alleine der gütigen Jungfrau zu danken, der Schlangenzertreterin, dass nicht noch mehr passiert ist. Der Junge lebt und liegt auf der Krankenstube, in der Obhut von Schwester Irmengard. Sie sorgt sich um ihn wie um ihren eigenen Sohn. Aber das Auge ging unwiederbringlich verloren, der Bader hat die Höhle ausbrennen müssen. Schwester Irmengard wacht nun und versucht das einsetzende Fieber zu senken. Der Herr helfe ihr und uns, arme Sünderinnen, die wir sind.“
Es war nicht nur die caritas, die Richmodis hinüber zur Krankenstube trieb, einem Stall, den man ausgebaut hatte und dessen Kräuter- und Gewürzdüfte es nie vollständig schafften, den Duft nach Heu und Pferden zu verdrängen. Sie beabsichtigte, sich von Schwester Irmengard einen schönen Becher mit Branntwein verordnen zu lassen, um etwas gegen das Ohrensausen zu tun, das sie seit dem Bericht der Oberin befallen hatte. Doch dann siegte ihre Neugier über ihre Schwäche und sie bat Irmengard, eine vollbusige Matrone mit Watschelgang und weichen, heilkundigen Händen, sie an das Lager des Schwerverletzten zu geleiten.
Gernots Schädel war bandagiert und er lag bereits im Fieber. Richmodis rührten seine schmächtige Gestalt und die Reinheit seiner Züge an, soweit sie unter dem Verband noch zu erkennen waren. Dann und wann wälzte er sich unruhig, die schmalen Hände mit den dünnen Fingern bewegten sich spinnenhaft- Richmodis erinnerten sie an die Weberknechte, die über die Wände ihres Zimmers huschten.
„Er leidet schwer. Kannst du ihm die Schmerzen nicht nehmen?“, wandte sie sich an die gütige Irmengard, die ihm mit Weihwasser die Lippen netzte. Zu ihrem Erstaunen zwinkerte die Heilkundige ihr zu. „Das Fieber bringt ihm süßere Träume, als meine Mittel es je könnten.“ Sie wies mit dem Kinn auf die deutliche Erhebung in der Mitte seines Leibes. „Unser Spatz steht in Flammen, aber es ist die Glut der Liebe, die ihn durchströmt. Wenn es nicht weiter steigt, ist es förderlich für ihn, denn sein Körper fühlt nicht die Schmerzen, sondern jene Freuden, die der Liebestraum beschert. Fast könnte man ihn beneiden ...“ Schwester Irmengards rundes Gesicht lief rosig an.
Richmodis dankte dem Herrn insgeheim, dass er sie nicht zur caritas, sondern zur Schreiberei berufen hatte. Jedoch, es war ersichtlich, die Fieberträume des Jungen erleichterten sein Los.
„Und hat er etwas gesagt?“
Irmengard zündete umständlich eine weitere geweihte Kerze an und platzierte sie am Fußende von Gernots Lager. Dann nickte sie langsam. „Immer wieder, immer das Gleiche. Wie eine Taube nach dem Täuberich ruft. Horch!“
Und Richmodis horchte. Wie Gernot sehnsüchtig immer wieder und wieder nach Fulbert rief.
Nach der Vesper genehmigten sich die Mutter Oberin und Richmodis zwei, drei Becherchen von Irmengards Branntwein, natürlich aus medizinischen Gründen. Endlich konnte sie auch die Ergebnisse ihres Besuches bei der Edlen Hroswitha zusammenfassen.
„Und deshalb“, schloss sie, „meine ich, ehrwürdige Mutter, dass Anselmus den Mord begangen hat. Fulbert und Gernot waren ein Liebespaar. Oh, hättet Ihr doch nur hören können, wie der Junge nach ihm schmachtete. Die Trauer muss ihn überwältigt haben. Der Anblick der Blutflecken, der Ort, an dem an seinem Geliebten ein grauenhaftes Verbrechen begangen wurde – eh, natürlich auch ein unvergleichlicher Frevel an den Gebeinen der Hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen – da fiel es mir wie ein Schleier von den Augen. Hatte ich eben noch erwägt, dass Anselmus voller Trauer sei? Nein, ich sage Euch, die Umkehr von Hroswithas Enkel geschah aus Schrecken und Furcht vor den Konsequenzen seiner furchtbaren Tat. Die teuflische Fratze der Eifersucht hat ihn überwältigt. Anselmus hat Fulbert nicht geliebt. Gernot schon!“
Sie lehnte sich hochzufrieden in ihrem Stuhl zurück und griff zerstreut nach dem Branntweinkrug. Margitta räusperte sich und schob ihren Becher mit einer nachdrücklichen Geste über den Tisch. Richmodis fuhr zusammen und beeilte sich, ihrer Oberin nachzuschenken.
„Alles wäre perfekt, wenn es nicht ausgerechnet der Enkel unserer Wohltäterin wäre, den du des Eifersuchtsmordes verdächtigst.“ Margitta unterdrückte einen Schluckauf. „Jedoch, wir werden alles unserem Herrgott und der Heiligen Muttergottes anempfehlen. Sie wissen, was zu tun ist. Wir gehen zu Bett. Von der Vigil bist du heute entbunden, aber sprich die Komplet mit Eifer und unter inbrünstiger Anrufung um Rat und Hilfe an alle Heiligen. Möge Gott dich segnen, geliebte Tochter.“
Richmodis vergaß nicht, diesen nächtlichen Wunsch ihrer verehrten Äbtissin zu erfüllen. Zur Vigil hätte sie tatsächlich nicht einmal dann aufstehen können, wenn in ihrer Stube Feuer ausgebrochen wäre.
Zur Laudes am nächsten Morgen erreichte sie die Nachricht, dass man Anselmus’ Leiche im Rhein treibend aufgefunden hatte. Obwohl alle von einem Unfall ausgingen und Anselmus in geweihter Erde begraben wurde – unverdient, wie Richmodis befand – versäumte sie es doch nie, für ihn, Hroswitha mit ihrer Familie und schließlich auch für den armen Gernot, der allmählich genas, jede Woche sieben Bußpsalmen zu beten. Von Ketzern aber träumte sie nie mehr.
ElsaLaska - 21. Mai, 10:50
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