Aktive Sterbehilfe
Ich bin mittlerweile leider überzeugt davon, dass nur sehr dumme und einfältige, überaus egoistische Menschen für aktive Sterbehilfe sein können. Oder solche, die sehr viel Angst haben.
Menschen, die noch niemals in ihrem Leben eine Entscheidung auf Leben und Tod treffen mussten, und denken, man könnte das irgendwie mal so theoretisch am grünen Tisch machen, ohne einem anderen dabei in die Augen zu sehen.
Ich bin auch überzeugt davon, dass solche Leute niemals Phasen hatten, in denen sie selbst aus irgendeiner Laune heraus nicht mehr leben wollten, denn wenn sie diese Phasen gehabt hätten, dann wüssten sie, dass es ganz gut ist, nicht genau in dem Moment zu sterben, in dem man es sich am allerdringlichsten wünscht: Weil einen der Liebhaber oder Ehemann verlassen hat, man eine Depression hat, weil es grad November ist und man niedergedrückt nicht mehr an einen Frühling glauben kann, weil ein geliebtes Tier, ein lieber Mensch gestorben ist und man nicht mehr genau weiß, wozu man eigentlich noch weiterleben sollte. Weil man gerade unerträgliche Schmerzen hat, man nicht schlafen kann, schlimme Probleme hat, von denen man überzeugt ist, sie nicht lösen zu können.
Ich habe in meinem Leben für drei Hunde eine Entscheidung treffen müssen, die so furchtbar war, dass wirklich nur jemand, der keinerlei Herz hat, davon überzeugt sein kann, man könne ganz leicht mit Menschen ebenso verfahren.
Man kann es nicht.
Man kann es genau genommen noch nichtmal mit einem anvertrauten Hund, der einen treu begleitet hat. Man tut es aber unter großen seelischen Schmerzen, weil man mit einem Hund nicht weiter kommunizieren kann und er nicht versteht, was mit ihm gerade passiert. Ein Mensch versteht das, er möchte ebenfalls schmerzfrei sein, aber möchte eben auch reden. Reden. Reden. So lange er noch kann. Seinen Frieden machen, wie man so schön sagt. Bewusst und ohne Schmerzen Abschied nehmen dürfen von seinen Lieben.
Wir haben für Menschen alle Möglichkeiten. Es gibt Palliativmedizin, es gibt Hospize. Häufig wünschen wir uns, dass unsere Lieben - ob Tier oder Mensch - einfach von selbst einschlafen würden. Das ist aber der Ausnahmefall. Im Prozess des Sterbens und Abschiednehmens dürfen wir noch einmal alles in die Waagschale werfen, was wir an Liebe geben können.
Der schnelle und plötzliche Tod mag wie eine Gnade erscheinen, aber wer mit Angehörigen spricht, die jählings vor Tatsachen gestellt wurden, der mag vielleicht anders darüber denken.
Wir lassen einen Hund einschlafen, weil wir wissen, wir können sonst nichts mehr tun. Er versteht uns nicht, er versteht seine Schmerzen nicht, seine Situation nicht. Wir treffen also eine Entscheidung. Wer diese Entscheidung schon mal treffen musste, der weiß ganz genau, dass es unmöglich ist, so etwas über einen anderen, siechen Menschen, sei er noch so krank, zu treffen. Selbst wenn dieser Mensch tausendmal beteuert, er wolle jetzt sterben. Das habe ich auch schon oft gemacht, wenn ich krank war, wenn mir elend zumut war. Und lebe weiter, weil damals kein Euthanasiekommando gekommen ist und sich gesagt hat, was soll es, sie will es ja selbst.
Hätte ich meine Hunde gefragt, als es wirklich akut wurde und sie hätten sprechen können, so hätten sie gesagt: Lass mich doch bitte schlafen können. Und nimm mir bitte die Schmerzen.
Keiner, kein einziger von ihnen hätte gesagt: Ich will nicht mehr leben! Ich will nicht mehr bei dir sein!
Aber ich weiß selbst, dieser Punkt ist heutzutage kaum noch vermittelbar, wo selbst einige meiner Freunde (agnostisch) beteuern, sie wünschten sich im Fall der Fälle Euthanasie.
Ist ihnen ihr Leben so wenig wert?
Was geschieht mit uns eigentlich in Europa in dieser Gesellschaft, dass Leben nur noch gut und lebenswert sein soll, wenn man nicht physisch und/oder psychisch krank ist?
Wir haben im 21. Jahrhundert die besten Schmerzmittel, die besten Betreuungen. Abschied nehmen ist immer schwer, aber offensichtlich ist es noch schwerer, der Natur ihren Lauf zu lassen und einen Menschen bei der Hand zu nehmen und ihn bei diesem Prozess zu begleiten, liebevoll zu begleiten. Es gibt so viel, was man noch tun kann: Ein Glas Wasser, eine Tasse Tee reichen, ein Lieblingsessen zubereiten, die Füße massieren, die Haare waschen, ein wenig Würde geben durch das Anziehen der Lieblingskleidung, drei Schritte raus in die Luft gehen und denjenigen am Arm halten, im Rollstuhl mit ihm fahren, ihm etwas frisches Obst schälen und klein schneiden, und ja, ihn damit füttern, wenn es sein muss. Einen schönen Strauß pflücken und auf den Nachttisch stellen. Ein Lieblingsnaschwerk schenken. Papa freute sich immer in seinen letzten Tagen im Krankenhaus, wenn ich ihm einen Cappuccino aus dem Automaten hoch brachte. Das war unser Ritual - er bekam Mittagessen, ich besuchte ihn gegen Eins oder Halb Zwei mit diesem durchaus leckeren Cappu aus dem Automaten, auf den er sich jeden Tag freute.
Oder einfach etwas vorlesen. Sitzen, reden. Sitzen und schweigen. Sitzen und zuhören.
Sitzen und nachfragen, wie es so war. Mit den Eltern, den Großeltern, den Urgroßeltern. Im Krieg. Nach dem Krieg. Wie es heute geht. Was es zu essen gab. Ob die Nacht gut war oder schlecht.
Ja richtig, hier beginnt dann der wesentliche Unterschied zu dem, was ich einem kranken Tier geben kann und einem kranken Menschen.
Und alle oder die meisten meiner kleinen Beispiele für "etwas Würde geben" passen nicht nur auf sterbende Menschen, sondern auch auf Behinderte oder einfach Alte oder kleine Kinder.
Und deshalb ist die Entwicklung - Vorreiter ist Belgien - in Bezug auf das Töten von Menschen für mich ein Horror. Sterbende, Alte, Behinderte, kleine Kinder.
Subsummieren wir doch all diese Menschen unter: nicht produktiv.
Sollen also weg, weil das bequemer ist, als sich menschenwürdig um sie zu kümmern.
Das erinnert mich an etwas.
Armes Europa.
Menschen, die noch niemals in ihrem Leben eine Entscheidung auf Leben und Tod treffen mussten, und denken, man könnte das irgendwie mal so theoretisch am grünen Tisch machen, ohne einem anderen dabei in die Augen zu sehen.
Ich bin auch überzeugt davon, dass solche Leute niemals Phasen hatten, in denen sie selbst aus irgendeiner Laune heraus nicht mehr leben wollten, denn wenn sie diese Phasen gehabt hätten, dann wüssten sie, dass es ganz gut ist, nicht genau in dem Moment zu sterben, in dem man es sich am allerdringlichsten wünscht: Weil einen der Liebhaber oder Ehemann verlassen hat, man eine Depression hat, weil es grad November ist und man niedergedrückt nicht mehr an einen Frühling glauben kann, weil ein geliebtes Tier, ein lieber Mensch gestorben ist und man nicht mehr genau weiß, wozu man eigentlich noch weiterleben sollte. Weil man gerade unerträgliche Schmerzen hat, man nicht schlafen kann, schlimme Probleme hat, von denen man überzeugt ist, sie nicht lösen zu können.
Ich habe in meinem Leben für drei Hunde eine Entscheidung treffen müssen, die so furchtbar war, dass wirklich nur jemand, der keinerlei Herz hat, davon überzeugt sein kann, man könne ganz leicht mit Menschen ebenso verfahren.
Man kann es nicht.
Man kann es genau genommen noch nichtmal mit einem anvertrauten Hund, der einen treu begleitet hat. Man tut es aber unter großen seelischen Schmerzen, weil man mit einem Hund nicht weiter kommunizieren kann und er nicht versteht, was mit ihm gerade passiert. Ein Mensch versteht das, er möchte ebenfalls schmerzfrei sein, aber möchte eben auch reden. Reden. Reden. So lange er noch kann. Seinen Frieden machen, wie man so schön sagt. Bewusst und ohne Schmerzen Abschied nehmen dürfen von seinen Lieben.
Wir haben für Menschen alle Möglichkeiten. Es gibt Palliativmedizin, es gibt Hospize. Häufig wünschen wir uns, dass unsere Lieben - ob Tier oder Mensch - einfach von selbst einschlafen würden. Das ist aber der Ausnahmefall. Im Prozess des Sterbens und Abschiednehmens dürfen wir noch einmal alles in die Waagschale werfen, was wir an Liebe geben können.
Der schnelle und plötzliche Tod mag wie eine Gnade erscheinen, aber wer mit Angehörigen spricht, die jählings vor Tatsachen gestellt wurden, der mag vielleicht anders darüber denken.
Wir lassen einen Hund einschlafen, weil wir wissen, wir können sonst nichts mehr tun. Er versteht uns nicht, er versteht seine Schmerzen nicht, seine Situation nicht. Wir treffen also eine Entscheidung. Wer diese Entscheidung schon mal treffen musste, der weiß ganz genau, dass es unmöglich ist, so etwas über einen anderen, siechen Menschen, sei er noch so krank, zu treffen. Selbst wenn dieser Mensch tausendmal beteuert, er wolle jetzt sterben. Das habe ich auch schon oft gemacht, wenn ich krank war, wenn mir elend zumut war. Und lebe weiter, weil damals kein Euthanasiekommando gekommen ist und sich gesagt hat, was soll es, sie will es ja selbst.
Hätte ich meine Hunde gefragt, als es wirklich akut wurde und sie hätten sprechen können, so hätten sie gesagt: Lass mich doch bitte schlafen können. Und nimm mir bitte die Schmerzen.
Keiner, kein einziger von ihnen hätte gesagt: Ich will nicht mehr leben! Ich will nicht mehr bei dir sein!
Aber ich weiß selbst, dieser Punkt ist heutzutage kaum noch vermittelbar, wo selbst einige meiner Freunde (agnostisch) beteuern, sie wünschten sich im Fall der Fälle Euthanasie.
Ist ihnen ihr Leben so wenig wert?
Was geschieht mit uns eigentlich in Europa in dieser Gesellschaft, dass Leben nur noch gut und lebenswert sein soll, wenn man nicht physisch und/oder psychisch krank ist?
Wir haben im 21. Jahrhundert die besten Schmerzmittel, die besten Betreuungen. Abschied nehmen ist immer schwer, aber offensichtlich ist es noch schwerer, der Natur ihren Lauf zu lassen und einen Menschen bei der Hand zu nehmen und ihn bei diesem Prozess zu begleiten, liebevoll zu begleiten. Es gibt so viel, was man noch tun kann: Ein Glas Wasser, eine Tasse Tee reichen, ein Lieblingsessen zubereiten, die Füße massieren, die Haare waschen, ein wenig Würde geben durch das Anziehen der Lieblingskleidung, drei Schritte raus in die Luft gehen und denjenigen am Arm halten, im Rollstuhl mit ihm fahren, ihm etwas frisches Obst schälen und klein schneiden, und ja, ihn damit füttern, wenn es sein muss. Einen schönen Strauß pflücken und auf den Nachttisch stellen. Ein Lieblingsnaschwerk schenken. Papa freute sich immer in seinen letzten Tagen im Krankenhaus, wenn ich ihm einen Cappuccino aus dem Automaten hoch brachte. Das war unser Ritual - er bekam Mittagessen, ich besuchte ihn gegen Eins oder Halb Zwei mit diesem durchaus leckeren Cappu aus dem Automaten, auf den er sich jeden Tag freute.
Oder einfach etwas vorlesen. Sitzen, reden. Sitzen und schweigen. Sitzen und zuhören.
Sitzen und nachfragen, wie es so war. Mit den Eltern, den Großeltern, den Urgroßeltern. Im Krieg. Nach dem Krieg. Wie es heute geht. Was es zu essen gab. Ob die Nacht gut war oder schlecht.
Ja richtig, hier beginnt dann der wesentliche Unterschied zu dem, was ich einem kranken Tier geben kann und einem kranken Menschen.
Und alle oder die meisten meiner kleinen Beispiele für "etwas Würde geben" passen nicht nur auf sterbende Menschen, sondern auch auf Behinderte oder einfach Alte oder kleine Kinder.
Und deshalb ist die Entwicklung - Vorreiter ist Belgien - in Bezug auf das Töten von Menschen für mich ein Horror. Sterbende, Alte, Behinderte, kleine Kinder.
Subsummieren wir doch all diese Menschen unter: nicht produktiv.
Sollen also weg, weil das bequemer ist, als sich menschenwürdig um sie zu kümmern.
Das erinnert mich an etwas.
Armes Europa.
ElsaLaska - 27. Feb, 17:57
Was vom Tage ... - - 0 Trackbacks - 1111x gelesen
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