Es nennt sich eben auch Blogoszese,
weil der eine oder andere immer auch ein Thema aufgreift, auf das man selbst gerade nicht eingehen konnte, warum auch immer, das einem aber genauso beschäftigt. Und das man dann auch wieder aufgreifen kann.
Gestern war der Tag der hl. Maria Goretti. Soweit mir bekannt, ist sie immer noch unsere jüngste Heilige. Die kleine Maria starb am 6. Juli 1902 im Alter von 11 oder 12 Jahren, an den Folgen von 12 oder 14 Messerstichen - ich kann es grad nicht verifizieren - die ihr der weitaus ältere Sohn des Großpächters der relativ armen Familie beibrachte, weil sie sich seinem Vergewaltigungsversuch widersetzte. Die kleine Maria, ein sehr gläubiges Mädchen, das gerne Nonne geworden wäre, hat ihrem Mörder auf dem Sterbebett vergeben und für ihn gebetet.
Sie wurde im Beisein ihrer Mutter Assunta heilig gesprochen.
Als ich noch nicht katholisch war, besuchte ich einmal das Santuario in ihrer Geburtsstadt Corinaldo und stellte fest, dass dort, gegenüber der Tafel für Mamma Assunta, auch eine Gedenktafel für den Mörder, Alessandro Serenelli, angebracht worden war.
Meine erste Reaktion war Abwehr, ich fand, der "Typ" hätte da nix zu suchen. Ein Kinderschänder und Mörder! An einem geweihten Ort, der doch ausschließlich dem Märtyrium des Kindes gewidmet sein sollte.
Mittlerweile sehe ich das völlig anders. Wann immer ich heute in das Santuario komme, schaue ich mit größerem Verständnis und mit offenerem Herzen auf das Foto, das kurz vor Alessandros Tod aufgenommen worden ist, und einen greisenhaften, gemütlichen Opa zeigt. Ich versäume nie, für ihn zu beten.
Denn Alessandro kann uns zeigen, dass selbst für die verwerflichste und verabscheuungswürdigste menschliche Existenz (als die uns ja Vergewaltiger und Kinderschänder oft anmuten) Vergebung und Umkehr möglich ist. Dieser Mann hatte aus den allerniedrigsten Beweggründen ein Kind einfach abgestochen, das später heiliggesprochen wurde. Das alleine lässt sich in einem einzigen Menschenleben wahrscheinlich niemals psychisch bewältigen. Man verurteilte ihn zu 30 Jahren Haft. Ich denke natürlich, zu Recht. Alessandro würde 50 Jahre alt sein, wenn er das Gefängnis wieder verließe.
Sicher gibt es genauere Aufzeichnung darüber, was in ihm vorging. Wut, Empörung, Selbsthass, vielleicht auch Reue, sein Leben in einem einzigen Moment des totalen Kontrollverlustes so vergeudet zu haben - zu schweigen natürlich von dem Leben eines 12jährigen Kindes.
Jedenfalls erschien ihm nach einigen Jahren sein Opfer im Traum, sicherte ihm Vergebung zu und schenkte ihm Blumen.
Daraufhin bekehrte Alessandro sich. Er durfte in seiner Zelle einen kleinen Hausaltar einrichten, den er mit Blumen, dem Kreuz und einem Bild von Maria schmückte.
Er nutzte die Zeit im Gefängnis, um zu beten und zu bereuen. Seine Führung war vorbildlich, nach 25 Jahren wurde er entlassen. Offenbar trat er zuallerst die Reise nach Corinaldo an, es war Weihnachten 1928, und klopfte an die Tür des Pfarrhauses, wo Mamma Assunta lebte, um sie um Verzeihung zu bitten, die die fromme Frau auch gewährte, mit den Worten: Wenn Gott dir verziehen hat, wie sollte ich dir nicht vergeben?
Alessandro Serenelli ging nach diesem beispielhaften Akt von Reue und Versöhnungsbereitschaft dann in ein Kapuzinerkloster, nahm 1950 noch an der Heiligsprechung Maria Gorettis in Rom teil und hat uns kurz vor seinem Tod eine Art Testament hinterlassen, das mir bislang nur auf Italienisch vorlag. David, der gestern einen schönen Artikel über die hl. Maria Goretti gebloggt hat, hat uns diesen Brief aus der englischen Version ins Deutsche übersetzt. Meines Wissens ist es zumindest online die einzige deutsche Übertragung, weshalb ich sie hier nochmals mit Dank an David einfüge. Das Testament dieses Mannes ist es wert, gelesen zu werden.
Hier noch ein Bild, vermutlich in seinem Zimmer bei den Kapuzinern aufgenommen:

Und eines mit Mamma Assunta:

Und hier sein geistliches Testament, übertragen von David:
„Ich bin beinahe 80 Jahre alt und werde bald sterben. Wenn ich mir meine Vergangenheit anschaue, erkenne ich, dass ich in meiner frühen Jugend einen schlechten Weg ausgewählt habe, der dazu führte, dass ich mein Leben zerstörte.
Mein Verhalten wurde von Zeitschriften, Medien und schlechten Beispielen beeinflusst, denen die Mehrheit der jungen Menschen folgt, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Ich tat das Gleiche und war nicht besorgt darüber.
Als ich 20 Jahre alt war, beging ich ein Verbrechen aus Leidenschaft. Heute ist die Erinnerung daran etwas Furchtbares für mich. Maria Goretti, jetzt eine Heilige, war mein guter Engel, durch Gottes Vorsehung zu mir gesandt, um mich zu führen und zu retten.
Ich habe immer noch ihre Worte des Tadels und der Vergebung in meinem Herzen eingraviert. Sie betete für mich, hielt Fürsprache für ihren Mörder. Dreißig Jahre Gefängnis folgten. Wäre ich alt gewesen, hätte ich mein ganzes Leben im Gefängnis verbracht. Ich akzeptierte das Urteil, weil ich schuldig war.
Die kleine Maria war wirklich mein Licht, meine Beschützerin; dank ihrer Hilfe konnte ich mich während 27 Jahren Haft gut benehmen und ein ehrenhaftes Leben führen, als man mich wieder in die Gesellschaft aufnahm.
Die Brüder des hl. Franziskus, Kapuziner aus den Marken, hießen mich mit engelsgleicher Nächstenliebe in ihrem Kloster – als Bruder, nicht als Knecht – willkommen. Seit 24 Jahren lebe ich in ihrer Gemeinschaft und hoffe nun in heiterer Gelassenheit, Gott bald schauen zu dürfen, meine Liebsten zu umarmen und bei meinem Schutzengel und ihrer Mutter Assunta zu sein.
Ich hoffe, dass dieser Brief andere lehren kann, das Böse zu meiden und stets auf dem rechten Pfad zu bleiben, wie kleine Kinder. Ich glaube, dass wir auf die Religion mit ihren Grundsätzen nicht verzichten können, sondern dass sie uns wahren Halt und Kraft schenken kann und der einzig sichere Weg in allen Begebenheiten ist, auch in den schmerzhaftesten unseres Lebens.“
via Davids Eintrag zur Hl. Maria Goretti mit Dank
Gestern war der Tag der hl. Maria Goretti. Soweit mir bekannt, ist sie immer noch unsere jüngste Heilige. Die kleine Maria starb am 6. Juli 1902 im Alter von 11 oder 12 Jahren, an den Folgen von 12 oder 14 Messerstichen - ich kann es grad nicht verifizieren - die ihr der weitaus ältere Sohn des Großpächters der relativ armen Familie beibrachte, weil sie sich seinem Vergewaltigungsversuch widersetzte. Die kleine Maria, ein sehr gläubiges Mädchen, das gerne Nonne geworden wäre, hat ihrem Mörder auf dem Sterbebett vergeben und für ihn gebetet.
Sie wurde im Beisein ihrer Mutter Assunta heilig gesprochen.
Als ich noch nicht katholisch war, besuchte ich einmal das Santuario in ihrer Geburtsstadt Corinaldo und stellte fest, dass dort, gegenüber der Tafel für Mamma Assunta, auch eine Gedenktafel für den Mörder, Alessandro Serenelli, angebracht worden war.
Meine erste Reaktion war Abwehr, ich fand, der "Typ" hätte da nix zu suchen. Ein Kinderschänder und Mörder! An einem geweihten Ort, der doch ausschließlich dem Märtyrium des Kindes gewidmet sein sollte.
Mittlerweile sehe ich das völlig anders. Wann immer ich heute in das Santuario komme, schaue ich mit größerem Verständnis und mit offenerem Herzen auf das Foto, das kurz vor Alessandros Tod aufgenommen worden ist, und einen greisenhaften, gemütlichen Opa zeigt. Ich versäume nie, für ihn zu beten.
Denn Alessandro kann uns zeigen, dass selbst für die verwerflichste und verabscheuungswürdigste menschliche Existenz (als die uns ja Vergewaltiger und Kinderschänder oft anmuten) Vergebung und Umkehr möglich ist. Dieser Mann hatte aus den allerniedrigsten Beweggründen ein Kind einfach abgestochen, das später heiliggesprochen wurde. Das alleine lässt sich in einem einzigen Menschenleben wahrscheinlich niemals psychisch bewältigen. Man verurteilte ihn zu 30 Jahren Haft. Ich denke natürlich, zu Recht. Alessandro würde 50 Jahre alt sein, wenn er das Gefängnis wieder verließe.
Sicher gibt es genauere Aufzeichnung darüber, was in ihm vorging. Wut, Empörung, Selbsthass, vielleicht auch Reue, sein Leben in einem einzigen Moment des totalen Kontrollverlustes so vergeudet zu haben - zu schweigen natürlich von dem Leben eines 12jährigen Kindes.
Jedenfalls erschien ihm nach einigen Jahren sein Opfer im Traum, sicherte ihm Vergebung zu und schenkte ihm Blumen.
Daraufhin bekehrte Alessandro sich. Er durfte in seiner Zelle einen kleinen Hausaltar einrichten, den er mit Blumen, dem Kreuz und einem Bild von Maria schmückte.
Er nutzte die Zeit im Gefängnis, um zu beten und zu bereuen. Seine Führung war vorbildlich, nach 25 Jahren wurde er entlassen. Offenbar trat er zuallerst die Reise nach Corinaldo an, es war Weihnachten 1928, und klopfte an die Tür des Pfarrhauses, wo Mamma Assunta lebte, um sie um Verzeihung zu bitten, die die fromme Frau auch gewährte, mit den Worten: Wenn Gott dir verziehen hat, wie sollte ich dir nicht vergeben?
Alessandro Serenelli ging nach diesem beispielhaften Akt von Reue und Versöhnungsbereitschaft dann in ein Kapuzinerkloster, nahm 1950 noch an der Heiligsprechung Maria Gorettis in Rom teil und hat uns kurz vor seinem Tod eine Art Testament hinterlassen, das mir bislang nur auf Italienisch vorlag. David, der gestern einen schönen Artikel über die hl. Maria Goretti gebloggt hat, hat uns diesen Brief aus der englischen Version ins Deutsche übersetzt. Meines Wissens ist es zumindest online die einzige deutsche Übertragung, weshalb ich sie hier nochmals mit Dank an David einfüge. Das Testament dieses Mannes ist es wert, gelesen zu werden.
Hier noch ein Bild, vermutlich in seinem Zimmer bei den Kapuzinern aufgenommen:

Und eines mit Mamma Assunta:

Und hier sein geistliches Testament, übertragen von David:
„Ich bin beinahe 80 Jahre alt und werde bald sterben. Wenn ich mir meine Vergangenheit anschaue, erkenne ich, dass ich in meiner frühen Jugend einen schlechten Weg ausgewählt habe, der dazu führte, dass ich mein Leben zerstörte.
Mein Verhalten wurde von Zeitschriften, Medien und schlechten Beispielen beeinflusst, denen die Mehrheit der jungen Menschen folgt, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Ich tat das Gleiche und war nicht besorgt darüber.
Als ich 20 Jahre alt war, beging ich ein Verbrechen aus Leidenschaft. Heute ist die Erinnerung daran etwas Furchtbares für mich. Maria Goretti, jetzt eine Heilige, war mein guter Engel, durch Gottes Vorsehung zu mir gesandt, um mich zu führen und zu retten.
Ich habe immer noch ihre Worte des Tadels und der Vergebung in meinem Herzen eingraviert. Sie betete für mich, hielt Fürsprache für ihren Mörder. Dreißig Jahre Gefängnis folgten. Wäre ich alt gewesen, hätte ich mein ganzes Leben im Gefängnis verbracht. Ich akzeptierte das Urteil, weil ich schuldig war.
Die kleine Maria war wirklich mein Licht, meine Beschützerin; dank ihrer Hilfe konnte ich mich während 27 Jahren Haft gut benehmen und ein ehrenhaftes Leben führen, als man mich wieder in die Gesellschaft aufnahm.
Die Brüder des hl. Franziskus, Kapuziner aus den Marken, hießen mich mit engelsgleicher Nächstenliebe in ihrem Kloster – als Bruder, nicht als Knecht – willkommen. Seit 24 Jahren lebe ich in ihrer Gemeinschaft und hoffe nun in heiterer Gelassenheit, Gott bald schauen zu dürfen, meine Liebsten zu umarmen und bei meinem Schutzengel und ihrer Mutter Assunta zu sein.
Ich hoffe, dass dieser Brief andere lehren kann, das Böse zu meiden und stets auf dem rechten Pfad zu bleiben, wie kleine Kinder. Ich glaube, dass wir auf die Religion mit ihren Grundsätzen nicht verzichten können, sondern dass sie uns wahren Halt und Kraft schenken kann und der einzig sichere Weg in allen Begebenheiten ist, auch in den schmerzhaftesten unseres Lebens.“
via Davids Eintrag zur Hl. Maria Goretti mit Dank
ElsaLaska - 7. Jul, 20:46