Samstag Nachmittag ist Badezeit
Meistens muss ich Mamma überreden, sie hat nicht wirklich Lust dazu. Ich verspreche ihr dann, dass es ganz bald vorbeigeht und sie danach sich einkuscheln kann und ein Eis bekommt.
Für mich ist es einfach eine lästige Übung, ich muss ein bisschen turnen, denn mein Elternhaus hatte ursprünglich kein Badezimmer, sondern es wurde ein Stück von der Küche abgeteilt. Um sie ins Bad zu setzen, das es jetzt glücklicherweise gibt, verwendet man einen Wannenlifter. Das ist okay, damit komme ich gut klar. Zuerst wollte sie keine Schrubbelbürste, obwohl man mit der am schönsten zarten Seifenschaum machen und auch gut die müden Glieder massieren kann. Aber dann fand sie es toll und so schrubble ich also mit weichem Seifenschaum Rücken, Beine, Arme ab. Und so weiter, die heiklen Stellen natürlich mit dem weichen Waschlappen.
Es macht mich jedesmal müde und jedesmal, wenn ich deswegen müde werde, fallen mir die Samstagnachmittage meiner Kindheit ein. Ich kann mich nicht ein einziges Mal daran entsinnen, dass meine Mutter keine Lust hatte, mich in die Wanne zu stecken. Und sie hatte den Samstag schließlich genug zu tun gehabt. Klar, es wurde einem das Baden versüßt mit allerlei Schwimmentchen und Schiffchen, und wenn man dann blitzsauber herauskam, wurde man mit einem angewärmten Badetuch abgetrocknet. Danach gab es frische Kleider und man durfte sich vor dem Fernseher einkuscheln (drei Programme). Meistens kam Daktari, manchmal durfte ich auch Disco schauen mit Ilja Richter oder Hitparade. Mamma schälte mir vor allem in der Winterzeit dann einen Apfel oder knackte ein paar Walnüsse. Oder, was ganz Besonderes, sie schälte mir, wenn Zeit war, eine NAVEL-Orange in großen Schnitzen.
Heute habe ich wieder das Programm abgehandelt. Man will schließlich schnell fertig werden. Nun ist das auch in ihrem Interesse, aber ehrlich gesagt, ich sollte langsamer und sorgfältiger sein und nicht nur daran denken, es hinter mich zu bringen. Ich hatte ihr eine heiße Hühnersuppe für danach versprochen - und, dass ich ihr ein bisschen Advents- und Weihnachtsgeschichten vorlese. Und trotzdem war alles Gehuddel, weil ich einfach kein geduldiger und ruhiger Mensch bin. Ich kann wohl nur eines: Sehr schnell tippen. Aber das nützt jetzt der Mamma nichts. Dennoch war sie dann wieder eingekuschelt in frische warme Hauskleidung und ich gab ihr mit einem Löffel, zu ihre Zufriedenheit, ihre Suppe.
In der Badewanne hatte ich sie, es brach einfach aus mir raus, ich konnte nichts dafür, einmal gefragt: Mamma, was ist denn nur mit dir geschehen? - Weil ich es oft selbst nicht begreifen kann. Die Antwort war, kaum zu hören: Weißnich..
Beim Vorlesen der alten, bekannten Gedichte und Geschichten war sie hellwach, sie nickte und bekräftigte das Ende stets mit einem gelallten "Jajamjam!"
Sie kannte sie alle. Sie hat sie wiedererkannt und sich daran gefreut.
Und dann las ich das Weihnachtsevangelium.
Und auf einmal wurde sie ganz still und zufrieden. Ganz ruhig und ganz weit weg von mir, irgendwie, aber mit ganz leuchtenden Augen.
Meine Mutter ist nicht mehr der Mensch, der sie war, und für mich ist es furchtbar schwer, damit zurechtzukommen, denn ich habe sie schließlich über 45 Jahre gekannt als diesen Menschen, den ich jetzt nicht mehr wiederfinde.
Über diese furchtbare Trauer darüber hinaus legt sich manchmal, so wie heute mit dem Bad und der Suppe und den Weihnachtsgeschichten, das Gefühl, einen Menschen bei sich zu haben, den man wohl oft bekämpft hat - ich rede von meiner Pubertät, ach was waren das Kämpfe - aber der es einem leicht macht, ihn einfach nur von ganzem Herzen zu lieben. Ich habe meine Mutter eigentlich ja immer recht lieb gehabt, und bei allen Tränen und aller Verzweiflung, die mich manchmal jetzt befallen, muss ich sagen:
Gott hat gemacht, dass ich sie nun bedingungslos und ohne jeden Abstrich wirklich zutiefst und ohne Kompromisse lieben kann.
Und an dem geduldigeren Baderitual werde ich auch noch arbeiten.
Für mich ist es einfach eine lästige Übung, ich muss ein bisschen turnen, denn mein Elternhaus hatte ursprünglich kein Badezimmer, sondern es wurde ein Stück von der Küche abgeteilt. Um sie ins Bad zu setzen, das es jetzt glücklicherweise gibt, verwendet man einen Wannenlifter. Das ist okay, damit komme ich gut klar. Zuerst wollte sie keine Schrubbelbürste, obwohl man mit der am schönsten zarten Seifenschaum machen und auch gut die müden Glieder massieren kann. Aber dann fand sie es toll und so schrubble ich also mit weichem Seifenschaum Rücken, Beine, Arme ab. Und so weiter, die heiklen Stellen natürlich mit dem weichen Waschlappen.
Es macht mich jedesmal müde und jedesmal, wenn ich deswegen müde werde, fallen mir die Samstagnachmittage meiner Kindheit ein. Ich kann mich nicht ein einziges Mal daran entsinnen, dass meine Mutter keine Lust hatte, mich in die Wanne zu stecken. Und sie hatte den Samstag schließlich genug zu tun gehabt. Klar, es wurde einem das Baden versüßt mit allerlei Schwimmentchen und Schiffchen, und wenn man dann blitzsauber herauskam, wurde man mit einem angewärmten Badetuch abgetrocknet. Danach gab es frische Kleider und man durfte sich vor dem Fernseher einkuscheln (drei Programme). Meistens kam Daktari, manchmal durfte ich auch Disco schauen mit Ilja Richter oder Hitparade. Mamma schälte mir vor allem in der Winterzeit dann einen Apfel oder knackte ein paar Walnüsse. Oder, was ganz Besonderes, sie schälte mir, wenn Zeit war, eine NAVEL-Orange in großen Schnitzen.
Heute habe ich wieder das Programm abgehandelt. Man will schließlich schnell fertig werden. Nun ist das auch in ihrem Interesse, aber ehrlich gesagt, ich sollte langsamer und sorgfältiger sein und nicht nur daran denken, es hinter mich zu bringen. Ich hatte ihr eine heiße Hühnersuppe für danach versprochen - und, dass ich ihr ein bisschen Advents- und Weihnachtsgeschichten vorlese. Und trotzdem war alles Gehuddel, weil ich einfach kein geduldiger und ruhiger Mensch bin. Ich kann wohl nur eines: Sehr schnell tippen. Aber das nützt jetzt der Mamma nichts. Dennoch war sie dann wieder eingekuschelt in frische warme Hauskleidung und ich gab ihr mit einem Löffel, zu ihre Zufriedenheit, ihre Suppe.
In der Badewanne hatte ich sie, es brach einfach aus mir raus, ich konnte nichts dafür, einmal gefragt: Mamma, was ist denn nur mit dir geschehen? - Weil ich es oft selbst nicht begreifen kann. Die Antwort war, kaum zu hören: Weißnich..
Beim Vorlesen der alten, bekannten Gedichte und Geschichten war sie hellwach, sie nickte und bekräftigte das Ende stets mit einem gelallten "Jajamjam!"
Sie kannte sie alle. Sie hat sie wiedererkannt und sich daran gefreut.
Und dann las ich das Weihnachtsevangelium.
Und auf einmal wurde sie ganz still und zufrieden. Ganz ruhig und ganz weit weg von mir, irgendwie, aber mit ganz leuchtenden Augen.
Meine Mutter ist nicht mehr der Mensch, der sie war, und für mich ist es furchtbar schwer, damit zurechtzukommen, denn ich habe sie schließlich über 45 Jahre gekannt als diesen Menschen, den ich jetzt nicht mehr wiederfinde.
Über diese furchtbare Trauer darüber hinaus legt sich manchmal, so wie heute mit dem Bad und der Suppe und den Weihnachtsgeschichten, das Gefühl, einen Menschen bei sich zu haben, den man wohl oft bekämpft hat - ich rede von meiner Pubertät, ach was waren das Kämpfe - aber der es einem leicht macht, ihn einfach nur von ganzem Herzen zu lieben. Ich habe meine Mutter eigentlich ja immer recht lieb gehabt, und bei allen Tränen und aller Verzweiflung, die mich manchmal jetzt befallen, muss ich sagen:
Gott hat gemacht, dass ich sie nun bedingungslos und ohne jeden Abstrich wirklich zutiefst und ohne Kompromisse lieben kann.
Und an dem geduldigeren Baderitual werde ich auch noch arbeiten.
ElsaLaska - 29. Nov, 23:11
Eat Love Pray - - 0 Trackbacks - 485x gelesen
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