Der Rosenmontag, der ein Aschermittwoch war [1]
Es gab –gottseidank! - keinen Flugzeugcrash in Hochhäuser, keine verheerenden Brände, kein Ascheregen und keine zigtausend Tote wie damals, am 11. September 2001. Und doch schreiben und sagen mir viele, dass sie sie ebenso wie damals nie vergessen würden, was sie gerade taten, als die Nachricht des „epochalen Entsetzens“ (Bischof von Augsburg), die Nachricht vom bevorstehenden Amtsverzicht Benedikt XVI. sie erreichte.
Wie oft hatte ich, hatten wir uns doch alle ausgemalt, wann und wo uns einmal die Nachricht träfe, dass unser Heilige Vater nicht mehr unter uns weilte. In welcher Alltagssituation würde uns die Nachricht treffen – wäre es ein plötzlicher Tod, ein Anschlag auf einer Nahost-Reise oder gar auf dem Petersplatz – oder wäre es einsetzendes Sterben und wie viel Zeit würde man uns lassen, um uns auf seinen Hinübergang vorzubereiten?
Am Vormittag des 11. Februar 2013, ein Rosenmontag, tobte ein eisiger vento forte über die sanften Hügel vor meinem Fenster und zerstrubbelte die Frisuren der frisch geschnittenen Olivenbäume in ihren Hainen. Er wirbelte die silbrigen Unterseiten ihrer grünen Blätter auf, als wolle er es blitzen lassen auf Erden; hoch droben kein anmutiges Himmelsgewölbe mehr, sondern eine aschgraue Platte, die keinen einzigen Schimmer mehr durchließ. Tags zuvor hatte ich meinen Account auf dem sozialen Netzwerk Facebook gelöscht. In all den Jahren seit meinem Eintritt in die katholische Kirche war mir noch niemals so viel geballter Hass, soviel menschenverachtende Sprache gegenüber Katholiken und vor allem katholischen Frauen begegnet – und das alles nur wegen des unglückseligen Vorfalls in Kölner Krankenhäusern, die sich angeblich geweigert hätten, ein „mutmaßliches“ Vergewaltigungsopfer zu behandeln.
Für die unsachgemäße Berichterstattung diverser, auch Kölner Medien und einen äußerst ungeschickten Umgang mit der Sachlage selbst durch die Verantwortlichen, dazu noch ein, zwei Talkshows über die „unbarmherzige Kirche“, und schon war es möglich, Katholiken öffentlich auf Facebook als „Brut“ und „Abschaum“ zu bezeichnen.
Ich war müde und erschöpft - das Klima im deutschsprachigen Internet wie draußen vor meinem Fenster setzte mir zu. Entgegen meiner Gewohnheit legte ich mich über Mittag nochmals hin, nachdem ich fast drei Stunden im Haus und ums Haus im Kreis gewandert war.
Als ich eine Stunde später wieder aufwachte, hatte sich der Sturm vor meinem Fenster gelegt und der Papst war zurückgetreten.
Jetzt explodierte das Internet auf allen Kanälen, ein Blitz schlug in die Kuppel des Petersdoms ein, nur wenige Tage später ging ein verheerender Meteoritenschauer über dem Ural nieder. Allerorten kramten Katholiken wie Atheisten, die einen verschreckt, die anderen triumphierend, jene mysteriöse Malachias-Liste heraus, nach deren Zählung Benedikt der vorletzte Papst der römisch-katholischen Kirche gewesen sei. Die nicht anerkannte Privatoffenbarung einer anonymen Privatoffenbarerin offenbarte, dass der Nachfolger Benedikts auf dem Stuhle Petri der Antichrist sei und die wahrhaft gläubigen Katholiken ihm nicht folgen dürften. Die Politiker der internationalen Staatengemeinschaft würdigten, zollten Respekt, wertschätzten oder begrüßten die Entscheidung des Papstes. Nur Volker Beck hatte nichts verstanden und lieferte sich in seinem Kommentar den absoluten Tiefstand, den man politisch erreichen kann. „Von seinem Nachfolger erwarten wir, dass er sich seiner Verantwortung im Umgang mit Juden, Muslimen, Homosexuellen und Frauen bewusst ist und Gesellschaften hier nicht mehr spaltet, sondern eint.“ Der verantwortunglose, antisemitische Papst, der niemals nicht Dialog mit Muslimen geführt hat, ein Hassprediger gegen Schwule und Frauen, der die bundesdeutsche, ja die gesamte europäische Gesellschaft spaltet? Dass die Mehrzahl der jüdischen Rabbiner und Oberrabbiner sowie die fast 150 muslimische Gelehrte, die sich seit Jahren in einem intensiven Austausch mit Benedikt befanden, das völlig anders sehen als Volker Beck – warum nur? – braucht einen Politiker vom Format Becks auch nicht weiter stören. Und auch worin eigentlich der verantwortungslose Umgang Ratzingers mit „Frauen“ bestanden haben soll, wird man uns vermutlich nicht plausibel darlegen können, aber es klingt halt nunmal gut, gerecht – und vor allem selbstgerecht.
Die meisten ausländischen und einige deutsche Politiker vergossen echte Zähren, bei anderen wiederum herrschte nur mühsam verhehlte Erleichterung und klammheimliche Freude. Einen neuerlichen Tiefpunkt an überflüssigem Gebabbel ward schließlich durch die Auslassungen von Präses Schneider, EKD, erreicht, wonach ausgerechnet Ratzinger das Zweite Vatikanische Konzil vorkonziliar interpretiert wollte, aber da hatten wir schon ganz andere Sorgen.
[wird als Sammlung von Impressionen der letzten vier Wochen in Kürze fortgesetzt]
Wie oft hatte ich, hatten wir uns doch alle ausgemalt, wann und wo uns einmal die Nachricht träfe, dass unser Heilige Vater nicht mehr unter uns weilte. In welcher Alltagssituation würde uns die Nachricht treffen – wäre es ein plötzlicher Tod, ein Anschlag auf einer Nahost-Reise oder gar auf dem Petersplatz – oder wäre es einsetzendes Sterben und wie viel Zeit würde man uns lassen, um uns auf seinen Hinübergang vorzubereiten?
Am Vormittag des 11. Februar 2013, ein Rosenmontag, tobte ein eisiger vento forte über die sanften Hügel vor meinem Fenster und zerstrubbelte die Frisuren der frisch geschnittenen Olivenbäume in ihren Hainen. Er wirbelte die silbrigen Unterseiten ihrer grünen Blätter auf, als wolle er es blitzen lassen auf Erden; hoch droben kein anmutiges Himmelsgewölbe mehr, sondern eine aschgraue Platte, die keinen einzigen Schimmer mehr durchließ. Tags zuvor hatte ich meinen Account auf dem sozialen Netzwerk Facebook gelöscht. In all den Jahren seit meinem Eintritt in die katholische Kirche war mir noch niemals so viel geballter Hass, soviel menschenverachtende Sprache gegenüber Katholiken und vor allem katholischen Frauen begegnet – und das alles nur wegen des unglückseligen Vorfalls in Kölner Krankenhäusern, die sich angeblich geweigert hätten, ein „mutmaßliches“ Vergewaltigungsopfer zu behandeln.
Für die unsachgemäße Berichterstattung diverser, auch Kölner Medien und einen äußerst ungeschickten Umgang mit der Sachlage selbst durch die Verantwortlichen, dazu noch ein, zwei Talkshows über die „unbarmherzige Kirche“, und schon war es möglich, Katholiken öffentlich auf Facebook als „Brut“ und „Abschaum“ zu bezeichnen.
Ich war müde und erschöpft - das Klima im deutschsprachigen Internet wie draußen vor meinem Fenster setzte mir zu. Entgegen meiner Gewohnheit legte ich mich über Mittag nochmals hin, nachdem ich fast drei Stunden im Haus und ums Haus im Kreis gewandert war.
Als ich eine Stunde später wieder aufwachte, hatte sich der Sturm vor meinem Fenster gelegt und der Papst war zurückgetreten.
Jetzt explodierte das Internet auf allen Kanälen, ein Blitz schlug in die Kuppel des Petersdoms ein, nur wenige Tage später ging ein verheerender Meteoritenschauer über dem Ural nieder. Allerorten kramten Katholiken wie Atheisten, die einen verschreckt, die anderen triumphierend, jene mysteriöse Malachias-Liste heraus, nach deren Zählung Benedikt der vorletzte Papst der römisch-katholischen Kirche gewesen sei. Die nicht anerkannte Privatoffenbarung einer anonymen Privatoffenbarerin offenbarte, dass der Nachfolger Benedikts auf dem Stuhle Petri der Antichrist sei und die wahrhaft gläubigen Katholiken ihm nicht folgen dürften. Die Politiker der internationalen Staatengemeinschaft würdigten, zollten Respekt, wertschätzten oder begrüßten die Entscheidung des Papstes. Nur Volker Beck hatte nichts verstanden und lieferte sich in seinem Kommentar den absoluten Tiefstand, den man politisch erreichen kann. „Von seinem Nachfolger erwarten wir, dass er sich seiner Verantwortung im Umgang mit Juden, Muslimen, Homosexuellen und Frauen bewusst ist und Gesellschaften hier nicht mehr spaltet, sondern eint.“ Der verantwortunglose, antisemitische Papst, der niemals nicht Dialog mit Muslimen geführt hat, ein Hassprediger gegen Schwule und Frauen, der die bundesdeutsche, ja die gesamte europäische Gesellschaft spaltet? Dass die Mehrzahl der jüdischen Rabbiner und Oberrabbiner sowie die fast 150 muslimische Gelehrte, die sich seit Jahren in einem intensiven Austausch mit Benedikt befanden, das völlig anders sehen als Volker Beck – warum nur? – braucht einen Politiker vom Format Becks auch nicht weiter stören. Und auch worin eigentlich der verantwortungslose Umgang Ratzingers mit „Frauen“ bestanden haben soll, wird man uns vermutlich nicht plausibel darlegen können, aber es klingt halt nunmal gut, gerecht – und vor allem selbstgerecht.
Die meisten ausländischen und einige deutsche Politiker vergossen echte Zähren, bei anderen wiederum herrschte nur mühsam verhehlte Erleichterung und klammheimliche Freude. Einen neuerlichen Tiefpunkt an überflüssigem Gebabbel ward schließlich durch die Auslassungen von Präses Schneider, EKD, erreicht, wonach ausgerechnet Ratzinger das Zweite Vatikanische Konzil vorkonziliar interpretiert wollte, aber da hatten wir schon ganz andere Sorgen.
[wird als Sammlung von Impressionen der letzten vier Wochen in Kürze fortgesetzt]
ElsaLaska - 7. Mär, 21:06
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