Am Tisch nebenan.
Ein sehr kleines, sehr grauhaariges Männchen mit sehr riesiger Brille, sorgfältig gekleidet in einen zeitlosen Anzug (um nicht altmodisch zu sagen, nein, er ist nicht altmodisch - vielmehr: zeitlos). Hohe, grelle Stimme. Ihm gegenüber eine mächtige, füllige, hochgewachsene Polin mit kurzen, dunklen Haaren, einer unglaublich hässlichen, vorstehenden Warze auf der Wange, sexy Oberteil mit straßbesetzten Trägern.
Ich rätsle, wie ihr Verhältnis wohl sei.
Das Männchen sagt, zufriedener Unterton: Es trägt ja keiner hier Anzug, nicht wahr, außer mir ... Hörmal, wir bestellen folgendes ... (steht auf mit der Speisekarte, erklärt, was er zu bestellen wünscht für sie...) Dann, wieder sehr zufrieden:
Die Leute sprechen mich an, ob du meine Frau seist?
Immer sehr lange Pausen zwischen seinen Äußerungen. Sie kann kein Deutsch außer Dankeschön.
Er wieder: Nach dem Essen möchte ich bitte einen koffeinfreien Espresso und einen doppelten polnischen Wodka (kleine Verbeugung vor seiner Tischgenossin).
(Das alles kommt überhaupt nicht gut an, der kleine Alte tut mir Leid: Erstens gibt es keinen koffeinfreien Espresso, aus technischen Gründen, zweitens ignoriert seine Tischdame die Reminiszens und bestellt sich als Digestif einen Kamillentee).
Ich muss ja morgen früh raus, so das Männchen. Aber packen heute Abend! Der Hotelier kommt an den Tisch, ob alle zufrieden sind.
NEIN!, so das Männchen, seine Begleiterin kam heute Nacht um halb Zwei aus Polen an und musste woanders übernachten, weil man sie nicht mehr in das Hotel hineinließ.
Und ich sitze da und rätsle. Wo sie wohl übernachtet hat um halb Zwei, in einer Stadt, die kein Bahnhofsmotel hat? Ob sie ihn pflegen soll oder heiraten soll und überhaupt, ja wieso die beiden sich um Gottes Willen überhaupt an diesem Abend getroffen haben. Ich werde es nicht herausfinden. Es bleibt ihr Geheimnis. Aber ich wünsche den beiden alles Gute.
Ich rätsle, wie ihr Verhältnis wohl sei.
Das Männchen sagt, zufriedener Unterton: Es trägt ja keiner hier Anzug, nicht wahr, außer mir ... Hörmal, wir bestellen folgendes ... (steht auf mit der Speisekarte, erklärt, was er zu bestellen wünscht für sie...) Dann, wieder sehr zufrieden:
Die Leute sprechen mich an, ob du meine Frau seist?
Immer sehr lange Pausen zwischen seinen Äußerungen. Sie kann kein Deutsch außer Dankeschön.
Er wieder: Nach dem Essen möchte ich bitte einen koffeinfreien Espresso und einen doppelten polnischen Wodka (kleine Verbeugung vor seiner Tischgenossin).
(Das alles kommt überhaupt nicht gut an, der kleine Alte tut mir Leid: Erstens gibt es keinen koffeinfreien Espresso, aus technischen Gründen, zweitens ignoriert seine Tischdame die Reminiszens und bestellt sich als Digestif einen Kamillentee).
Ich muss ja morgen früh raus, so das Männchen. Aber packen heute Abend! Der Hotelier kommt an den Tisch, ob alle zufrieden sind.
NEIN!, so das Männchen, seine Begleiterin kam heute Nacht um halb Zwei aus Polen an und musste woanders übernachten, weil man sie nicht mehr in das Hotel hineinließ.
Und ich sitze da und rätsle. Wo sie wohl übernachtet hat um halb Zwei, in einer Stadt, die kein Bahnhofsmotel hat? Ob sie ihn pflegen soll oder heiraten soll und überhaupt, ja wieso die beiden sich um Gottes Willen überhaupt an diesem Abend getroffen haben. Ich werde es nicht herausfinden. Es bleibt ihr Geheimnis. Aber ich wünsche den beiden alles Gute.
ElsaLaska - 11. Sep, 00:19
Was ich mich frage
(Das ist eine Frage, kein Urteil!)
warum legst du mich fest? Versteh mich nicht falsch, ich lege auch Menschen fest, ohne sie zu kennen. Ich denke mir dies, ich denke mir das. Ich habe unglaublich viele Vorurteile, pauschalisiere, gucke hin, verfestige meine Urteile, besonders ungerechtfertigte, gucke wieder weg, revidiere sie - ungerechtfertigt auch in der Revision. Du willst das als Frage - nicht als Urteil - verstanden wissen, aber du legst mich trotzdem auf mein Katholisch Sein fest.
Aber was ich nie begreifen werde ist, wieso KATHOLISCH-SEIN etwa einer sensiblen und intellektuellen oder auch gerne nicht-intellektuellen Wahrnehmung der Welt irgendwie entgegenstehen sollte?
Es ist mir peinlich, dafür jetzt auf die Menschen hinzuweisen, die großartige kulturelle Leistungen erbracht haben und dabei selbstverständlich katholisch waren (weil ich ja keine großartigen kulturellen Leistungen erbringe und erbracht habe).
Ich verstehe nicht, wieso man hier einen Widerspruch generieren muss, wo keiner ist? Denkst du, wir sind alle taub, stumm und blind, nur weil wir an Gott glauben und zweitausend Jahre Kirche gelebt und geglaubt haben? Denkst du, wir sind deshalb rundum gepanzert und ohne Herz und Hirn?
Oh im Gegenteil, schau dir doch unsere Heiligen an(?)
Denkst du nicht, dass bei aller Polemik gegen die katholische Kirche sie doch letztendlich die Institution ist, die sich schon ungleich länger als alle Psychotherapeuten mit der menschlichen SEELE beschäftigt hat? Und das nicht nur einseitig in eine (die von dir?) propagandierte Richtung, die nur die Hälfte der Geschichte erzählen konnte?
Lieben Gruß
Elsa
Ja, es ist sehr schwer,
Katholisch - dagegen habe ich sehr prinzipielle Vorurteile. Deswegen aber interessiert es mich so sehr. Für mich ist es ein Label, das auf einer Kiste aus Unselbstständigkeit, Hochmut und Beschränkung klebt. Das muß nicht stimmen, ich will damit nur meine Denkvoraussetzungen beschreiben.
Ich sehe im Katholischen die soziale Institution gewordene Verlorenheit des einzelnen Verstandes. Wie ich im Lutherischen den bockigen Stolz desselben sehe. Ersteres erregt in mir archaischen Abscheu, letzteres beinahe erotische Bewunderung. Das sind meine naiven Reaktionen.
Tagesaktuell sehe ich Gestalten wie den momentanen Geschäftsführer (Papst), die politisch in meinen Augen abenteuerlich agieren, indem sie den Gegensatz zwischen ihrer Religion und anderen (Islam) scharf akzentuieren und dabei die Gemeinsamkeiten für mich sträflich vernachlässigen.
Prinzipieller kann ich Religion nicht von meinem individuellen Empfinden trennen, und dieses führt mir das gemeinsame Ritual (so es als Gottes-Dienst verstanden wird) zu sehr als lächerlich vor Augen.
Was ich fragen wollte, oder ausdrücken wollte, war, daß ich mit dem Label 'katholisch' (zu) sehr den Verzicht auf das Bockige, Streitsüchtige, Hagestolze verbinde, das ich - der Erziehung geschuldet, aber nicht nur daher - als eigentlich Menschlich empfinde. Mich stört, daß sich dortens der fragende Geist zu rasch (oder überhaupt) zu beruhigen hat - so mein Eindruck. Ich dagegen liebe den unruhigen Geist. Auch wenn seine Unruhe kostet.
was soll man jemandem antworten, der die Frage nach dem "Was ist der Mensch?" mit bockig, streitsüchtig und hagestolz beantwortet, der die Meinungsverschiedenheit zu einem ein Gut an sich erklärt und von der Einheit der Menschen in der Wahrheit auf einen Mangel an intellektueller Selbständigkeit schließt.
Wie man auf der einen Seite, den Streit zur Kardinaltugend erheben und auf der anderen Seite dem Heiligen Vater einen Mangel an Harmoniestreben vorwerfen kann, wird mir ein Rätsel bleiben, das zu verstehen mein Intellekt nicht ausreicht.
Tiberius
@Tiberius
Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, genauer zu lesen. Mitnichten beantworte ich die Frage "Was ist der Mensch?", schon gar nicht mit "bockig, streitsüchtig und hagestolz". Das sind Menschen sicherlich auch, neben vielem anderen. Was der Mensch aber ist, weiß ich nicht. Die Hinweise dazu, die mir eine Religion gibt, in der Menschen bestraft werden, wenn sie nach selbstständiger Erkenntnis suchen, betrachte ich durchaus mißtrauisch. Wer läßt sich schon gerne aus dem Paradies vertreiben?
Dem Heiligen Vater werfe ich gerade aus meiner Bereitschaft zur Auseinandersetzung einen Mangel an Harmoniestreben aufgrund seiner Äußerungen über den Islam vor. Das ist in meinen Augen eine recht einfache, rationale Operation. Natürlich kann es sein, daß ich mich irre, weil ich ihn falsch verstanden oder die politischen Implikationen seiner Äußerungen falsch sehe. Darüber streite ich mich häufig mit anderen Menschen. Es kann gut sein, daß es reiner Zufall ist, daß seine Äußerungen zeitlich mit der medialen Mobilmachung gegen den Islam zusammen fallen. Ich glaube das nicht, andere sehen es anders. Für mich sollte Auseinandersetzung immer der Versuch sein, den Anderen nicht mißzuverstehen, nicht zu ignorieren oder gar ihm das Existenzrecht abzusprechen, sondern eben gerade ihn zu verstehen, ihn wahrzunehmen und seine Existenz (streitend) anzuerkennen. Eine Streitkultur sollte die Parteien schützen, nicht sie vernichten.
Der Anspruch, die "Einheit der Menschen in der Wahrheit" zu wissen, ist natürlich ein Stein des Anstoßes für mich. Darüber hatten wir aber wohl schon einmal ein wenig debattiert, als es um die persönliche Gotteserfahrung (die ich in solchen Aussagen wie "Einheit der.." leider stets sehr vermisse) ging. Nur soviel hier: ich glaube nicht, daß es sich um einen "Mangel an intellektueller Selbständigkeit" handelt, wenn man solche Aussagen vertritt, sondern um einen bewußten Verzicht. Der aus sehr ehrenwerten Motiven erfolgen kann, den ich auf keinen Fall also pauschal diskreditieren möchte. Jeder Mensch hat in meinen Augen das Recht, seinen Verstand gezielt zu begrenzen, und ich glaube, jeder Mensch tut das auch sehr oft. Ich ganz sicher. Ich bin aber guter Hoffnung, solche Entscheidungen seien korrigierbar. Und auf keinen Fall gestehe ich ihnen eine über das Besondere der jeweiligen Entscheidung hinaus gehende Begründungskraft zu.
es wäre ja hübsch ...
Ich spreche jetzt nicht von diversen Glaubensübungen sondern eher von Glaubensprüfungen - beispielsweise, wenn sich Kardinal Meisner und Frau von Thurn und Taxis bei "Maischberger" nicht entblöden und ihre Blödheit entblößen.
Mit anderen Worten: Das Prinzip "Ich liebe die Menschen. Aber die Leute ... die Leute ..." gilt immer mal wieder auch für die KatholikInnEn römischer Prägung.
Was Verstand, Abstraktionsvermögen und/oder die Fähigkeit zu differenzieren nicht mit Katholisch-Sein zu tun haben könnten, entzieht sich meinem Verstande. Mag an meiner römisch-katholischen Sozialisierung liegen. ;-)