Das Hirseproblem.
Patriarch Germanos I. möchte auf seiner Dachterrasse um 730 n. Chr in Konstantinopel gerne einen Vogel füttern (das Rabenproblem klammere ich mal aus). Er streut dazu eine halbe Handvoll Hirse.
Mittlerweile wird das Problem unter Islamwissenschaftlern, Osmanisten, Orientalisten bundesweit diskutiert.
Es lautet: Gab es um diese Zeit in Kleinasien bzw. Griechenland überhaupt schon Hirse?
Miss Eugenie ist skeptisch. Hirse hätte importiert werden müssen. Jetzt hab ich mich selbst einfach mal aufgerafft und "hirseanbau kleinasien" gegoogelt. Und finde folgenden Absatz aus dem Werk "Vorgeschichtliche Botanik der Cultur- und Nutzpflanzen der Alten Welt aufgrund prähistorischer Funde" (was natürlich alleine schon ein Traum-Titel ist):
"Die noch heutigen Tags weite Verbreitung der Hirse über Centralasien und weiter westlich hinaus über Persien, Turkestan, Transkaukasien etc. bis nach Südrussland und den Donauländern, berechtigt zu dem Schlüsse, dass wir es in diesen Gebieten mit sehr alten Stätten für Hirseanbau zu thun haben. Was im besonderen Kleinasien betrifft, so haben uns die Alten, wie Herodot, Xenophon, Strabon, Galen u. A. ausführlichere Nachrichten hierüber hinterlassen. Hiernach ist freilich auch anzunehmen,
dass die Israeliten die Hirse gekannt haben mögen. In dem Worte nisman des Jesaias einige Erklärer diese Frucht. — Von Asien aus setzte sich die Hirsekultur höchstwahrscheinlich zu beiden Ufern des Schwarzen Meeres nach Europa fort. Nach dem Berichte des Xenophon lebte zu seiner Zeit an der Südküste dieses Meeres sogar eine thracische Völkerschaft, die wegen ihrer Vorliebe für diese Getreidefrucht den Namen der Melinophagi = Hirseesser führte. Dass auch die Bewohner des übrigen Thracien am Hirsegenuss grossen Geschmack gefunden haben, bezeugen Demosthenes und späterhin Strabon und Plinius. Die thatsächlichen Beweise für den Hirsebau in diesen Gegenden liegen in einem der jüngeren Steinzeit angehörigen Funde aus Coucouteni in Rumänien vor. Noch gegen Ende des 6. Jahrhunderts n. Chr. bauten die im heutigen Rumänien ansässigen Slaven, wie Mauritius berichtet, Rispen- und Kolbenhirse im grossen Umfange an.
[...]
Trotzdem das hohe Alter der Hirse in Kleinasien mehrfach belegt ist, sodass hierüber kein Zweifel bestehen kann, so suchen wir doch vergebens nach einer darauf bezüglichen Angabe bei den homerischen Sängern. Zum ersten Male tritt uns die Pflanze bei Hesiod entgegen; jedoch wollen die Philologen in den betreffenden Stellen spätere Einschiebsel erblicken. Dagegen begegnen wir der Hirse öfters in den Werken der späteren Schriftsteller. Von den Lacedämoniern erzählt Hesychius, dass sie die Kolbenhirse kochten und genossen. Theophrast giebt von der Rispen- und Kolbenhirse eine Beschreibung in seiner Art; Galen nennt das aus Hirse gebackene Brod einen Ersatz für Getreidebrod bei schlechtem Ausfalle der Ernte. Er kennt gleichfalls beide Arten, findet aber die in Kleinasien angebaute Hirse schlechter an Geschmack als die italienische. Trotz dieser immerhin häufigen Erwähnung von Seiten der griechischen Schriftsteller machen alle diese Angaben, wie Körnicke bemerkt, den Eindruck, als ob die Hirse auf der griechischen Halbinsel nie zu allgemeiner Bedeutung gelangt sei, ebensowenig wie dies heute der Fall ist."
Daraus lese ich a) die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es auch noch im 8. Jahrhundert Hirse in Kleinasien gab, diese aber nie eine große Rolle spielte, da nicht besonders wohlschmeckend, was b) ihre Verwendung als Vogelfutter durchaus rechtfertigen könnte.
Gegenstimmen?
:-)
Mittlerweile wird das Problem unter Islamwissenschaftlern, Osmanisten, Orientalisten bundesweit diskutiert.
Es lautet: Gab es um diese Zeit in Kleinasien bzw. Griechenland überhaupt schon Hirse?
Miss Eugenie ist skeptisch. Hirse hätte importiert werden müssen. Jetzt hab ich mich selbst einfach mal aufgerafft und "hirseanbau kleinasien" gegoogelt. Und finde folgenden Absatz aus dem Werk "Vorgeschichtliche Botanik der Cultur- und Nutzpflanzen der Alten Welt aufgrund prähistorischer Funde" (was natürlich alleine schon ein Traum-Titel ist):
"Die noch heutigen Tags weite Verbreitung der Hirse über Centralasien und weiter westlich hinaus über Persien, Turkestan, Transkaukasien etc. bis nach Südrussland und den Donauländern, berechtigt zu dem Schlüsse, dass wir es in diesen Gebieten mit sehr alten Stätten für Hirseanbau zu thun haben. Was im besonderen Kleinasien betrifft, so haben uns die Alten, wie Herodot, Xenophon, Strabon, Galen u. A. ausführlichere Nachrichten hierüber hinterlassen. Hiernach ist freilich auch anzunehmen,
dass die Israeliten die Hirse gekannt haben mögen. In dem Worte nisman des Jesaias einige Erklärer diese Frucht. — Von Asien aus setzte sich die Hirsekultur höchstwahrscheinlich zu beiden Ufern des Schwarzen Meeres nach Europa fort. Nach dem Berichte des Xenophon lebte zu seiner Zeit an der Südküste dieses Meeres sogar eine thracische Völkerschaft, die wegen ihrer Vorliebe für diese Getreidefrucht den Namen der Melinophagi = Hirseesser führte. Dass auch die Bewohner des übrigen Thracien am Hirsegenuss grossen Geschmack gefunden haben, bezeugen Demosthenes und späterhin Strabon und Plinius. Die thatsächlichen Beweise für den Hirsebau in diesen Gegenden liegen in einem der jüngeren Steinzeit angehörigen Funde aus Coucouteni in Rumänien vor. Noch gegen Ende des 6. Jahrhunderts n. Chr. bauten die im heutigen Rumänien ansässigen Slaven, wie Mauritius berichtet, Rispen- und Kolbenhirse im grossen Umfange an.
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Trotzdem das hohe Alter der Hirse in Kleinasien mehrfach belegt ist, sodass hierüber kein Zweifel bestehen kann, so suchen wir doch vergebens nach einer darauf bezüglichen Angabe bei den homerischen Sängern. Zum ersten Male tritt uns die Pflanze bei Hesiod entgegen; jedoch wollen die Philologen in den betreffenden Stellen spätere Einschiebsel erblicken. Dagegen begegnen wir der Hirse öfters in den Werken der späteren Schriftsteller. Von den Lacedämoniern erzählt Hesychius, dass sie die Kolbenhirse kochten und genossen. Theophrast giebt von der Rispen- und Kolbenhirse eine Beschreibung in seiner Art; Galen nennt das aus Hirse gebackene Brod einen Ersatz für Getreidebrod bei schlechtem Ausfalle der Ernte. Er kennt gleichfalls beide Arten, findet aber die in Kleinasien angebaute Hirse schlechter an Geschmack als die italienische. Trotz dieser immerhin häufigen Erwähnung von Seiten der griechischen Schriftsteller machen alle diese Angaben, wie Körnicke bemerkt, den Eindruck, als ob die Hirse auf der griechischen Halbinsel nie zu allgemeiner Bedeutung gelangt sei, ebensowenig wie dies heute der Fall ist."
Daraus lese ich a) die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es auch noch im 8. Jahrhundert Hirse in Kleinasien gab, diese aber nie eine große Rolle spielte, da nicht besonders wohlschmeckend, was b) ihre Verwendung als Vogelfutter durchaus rechtfertigen könnte.
Gegenstimmen?
:-)
ElsaLaska - 23. Okt, 14:04
Das erfordert eine Kommision!
Ich denke, wir bekommen das binnen weniger halbjährlicher Sitzungsperioden ausdiskutiert. Ich melde mich freiwillig!
P.S: Braucht wer eine Erkältung? Habe eine umständehalber abzugeben!