Weil wir unsere Toten nicht allein lassen.
Johannes hat auf seinem Blog Mater amata einen gelungenen Eintrag veröffentlicht, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Er schreibt u.a.:
>>Daß diese Verdrängung [des Todes] immer weiter geht, und daß der Verdrängungsprozeß keinesfalls zu Ende ist - der letztlich eine Folge wachsender Todesangst ist - wird offenkundig, wenn man unbefangen über einen Friedhof geht. Die Urnengräber nehmen zu. Sie sind billig und pflegeleicht, niemand erwartet, daß der meist einsame Tote - ein Urnengrab ist technisch in der Regel ein Einzelgrab - von seinen Angehörigen besucht wird, daß wer ein Requiem für den Toten hält, für ihn eine Messe stiftet, Blumen zu seinem Grab bringt, ein Licht anzündet, einen Rosenkranz betet. Die schon zur Zeit der Reformation ins Gerede gekommene katholische Praxis, für die Toten zu beten, ist im Schwinden begriffen. Zur dunklen Seite der Spaßgesellschaft gehört die Einsamkeit der Toten. <<
Das erinnerte mich auch an ein Hospiz-Seminar, an dem ich einmal teilnahm. Einer der Teilnehmer dort beschrieb seine Motivation, an dem - natürlich von einem christlichen Träger ausgerichteten - Seminar, in der Hospizhilfe tätig zu werden damit, dass er das Tibetische Totenbuch gelesen habe und davon überzeugt sei, dass man Sterbenden das darin festgehaltene spirituelle Wissen irgendwie vermitteln müsse. Einmal abgesehen davon, wie das praktisch aussehen soll, wenn man einem alten sterbenden Katholiken oder Protestanten oder auch Atheisten die Geheimnisse der spirituellen Praxis der Tibeter nahebringen will, und darin auch ziemlich häufig und gar nicht beruhigend - jedenfalls, wenn man sterben muss - auch von Dämonen die Rede ist - wir brauchen das Totenbuch, so interessant es zu lesen ist, gar nicht. Die Katholiken haben schon immer Sterbende begleitet, es gibt sogar ein eigenes Sakrament dafür, auch wenn man es heute lieber Krankensalbung nennt. Und anstatt den Toten vierzig Tage lang das Totenbuch vorzulesen, damit sie wissen, wie sie sich im Bardo zu verhalten haben, setzen wir auf ausreichend Weihwasser, Rosenkränze, Kerzen und selbstverständlich Hl. Messen für die Verstorbenen.
Als ich weiter darüber nachdachte, fiel mir auf, dass das heute aber kaum noch jemanden zu interessieren scheint. Wieso ich darauf komme? Na, in meiner Kinderzeit, in den Siebzigern noch, konntest du die Gräber von den Katholiken von denen der anderen klar unterscheiden! Wodurch? Die der Katholiken hatten allesamt vorne in der Mitte der Einfassung einen kleinen Weihwasserbehälter mit Deckel, damit die Angehörigen bei ihren Besuchen das Grab damit segnen konnten.
Das macht heute gar niemand mehr! Diese Gräber sind alle verschwunden, und ich habe schon ewig keines mehr mit Weihwasserbehälter gesehen - außer neulich auf dem Friedhof in einem Dorf in den Tiroler Bergen. In Deutschland jedoch nicht mehr - übrigens hier in Italien auch nicht, wobei ich nicht genau weiß, ob das überhaupt jemals Tradition war.
Durch Johannes bin ich auch auf diese Sterbelitanei aufmerksam geworden. Ich kenne das Tibetische Totenbuch, und, liebe Freunde, ich bin jetzt vielleicht parteiisch in der Sache geworden, aber ehrlich gesagt, fände ich in dieser vergleichsweise tröstlichen Litanei mehr von meiner eigenen spirituellen Tradition und meinen kulturellen Wurzeln wieder, auch wenn ich mich nicht bekehrt hätte.
Das wirklich Traurige aber ist, dass die Kirche da auf einem Schatz sitzt und unfähig ist, ihn zu heben. Wir hatten jahrhundertelang Maßgebliches zu sagen und zu tun in der Frage "Begleitung von Sterbenden und Sorge um die Verstorbenen". Warum ist das einfach so aufgegeben worden und die Leute kommen einem jetzt mit dem Tibetischen Totenbuch, als sei es das Maß aller Dinge? Haben wir das vielleicht sogar selbst zu verschulden, weil wir unsere Kernkompetenz, nämlich die Spiritualität, ohne Not aufgegeben haben? Und die Menschen sich die entstandenen Lücken freilich füllen möchten - ob mit Tibetern oder Esoterikern, was auch immer? Sehr schade.
Gibt es vielleicht jemanden unter den Lesern, der ähnlich wie Johannes sich schon mit den alten katholischen Traditionen auf diesem Gebiet vertraut gemacht hat oder sie sogar noch praktiziert? Dann bitte ich um weiterführende Kommentare.
Update: Beim nochmaligen Durchlesen der verlinkten Sterbelitanei musste ich ein bisschen schmunzeln. Immerhin haben wir ja angeblich diese fürchterliche und inhumane Religion, die die Menschen stets nur mit der Hölle und der ewigen Verdammnis bedrohen konnte. Naja ... Die Litanei ist gegen das Tibetische Totenbuch jedenfalls extrem unbedrohlich.
>>Daß diese Verdrängung [des Todes] immer weiter geht, und daß der Verdrängungsprozeß keinesfalls zu Ende ist - der letztlich eine Folge wachsender Todesangst ist - wird offenkundig, wenn man unbefangen über einen Friedhof geht. Die Urnengräber nehmen zu. Sie sind billig und pflegeleicht, niemand erwartet, daß der meist einsame Tote - ein Urnengrab ist technisch in der Regel ein Einzelgrab - von seinen Angehörigen besucht wird, daß wer ein Requiem für den Toten hält, für ihn eine Messe stiftet, Blumen zu seinem Grab bringt, ein Licht anzündet, einen Rosenkranz betet. Die schon zur Zeit der Reformation ins Gerede gekommene katholische Praxis, für die Toten zu beten, ist im Schwinden begriffen. Zur dunklen Seite der Spaßgesellschaft gehört die Einsamkeit der Toten. <<
Das erinnerte mich auch an ein Hospiz-Seminar, an dem ich einmal teilnahm. Einer der Teilnehmer dort beschrieb seine Motivation, an dem - natürlich von einem christlichen Träger ausgerichteten - Seminar, in der Hospizhilfe tätig zu werden damit, dass er das Tibetische Totenbuch gelesen habe und davon überzeugt sei, dass man Sterbenden das darin festgehaltene spirituelle Wissen irgendwie vermitteln müsse. Einmal abgesehen davon, wie das praktisch aussehen soll, wenn man einem alten sterbenden Katholiken oder Protestanten oder auch Atheisten die Geheimnisse der spirituellen Praxis der Tibeter nahebringen will, und darin auch ziemlich häufig und gar nicht beruhigend - jedenfalls, wenn man sterben muss - auch von Dämonen die Rede ist - wir brauchen das Totenbuch, so interessant es zu lesen ist, gar nicht. Die Katholiken haben schon immer Sterbende begleitet, es gibt sogar ein eigenes Sakrament dafür, auch wenn man es heute lieber Krankensalbung nennt. Und anstatt den Toten vierzig Tage lang das Totenbuch vorzulesen, damit sie wissen, wie sie sich im Bardo zu verhalten haben, setzen wir auf ausreichend Weihwasser, Rosenkränze, Kerzen und selbstverständlich Hl. Messen für die Verstorbenen.
Als ich weiter darüber nachdachte, fiel mir auf, dass das heute aber kaum noch jemanden zu interessieren scheint. Wieso ich darauf komme? Na, in meiner Kinderzeit, in den Siebzigern noch, konntest du die Gräber von den Katholiken von denen der anderen klar unterscheiden! Wodurch? Die der Katholiken hatten allesamt vorne in der Mitte der Einfassung einen kleinen Weihwasserbehälter mit Deckel, damit die Angehörigen bei ihren Besuchen das Grab damit segnen konnten.
Das macht heute gar niemand mehr! Diese Gräber sind alle verschwunden, und ich habe schon ewig keines mehr mit Weihwasserbehälter gesehen - außer neulich auf dem Friedhof in einem Dorf in den Tiroler Bergen. In Deutschland jedoch nicht mehr - übrigens hier in Italien auch nicht, wobei ich nicht genau weiß, ob das überhaupt jemals Tradition war.
Durch Johannes bin ich auch auf diese Sterbelitanei aufmerksam geworden. Ich kenne das Tibetische Totenbuch, und, liebe Freunde, ich bin jetzt vielleicht parteiisch in der Sache geworden, aber ehrlich gesagt, fände ich in dieser vergleichsweise tröstlichen Litanei mehr von meiner eigenen spirituellen Tradition und meinen kulturellen Wurzeln wieder, auch wenn ich mich nicht bekehrt hätte.
Das wirklich Traurige aber ist, dass die Kirche da auf einem Schatz sitzt und unfähig ist, ihn zu heben. Wir hatten jahrhundertelang Maßgebliches zu sagen und zu tun in der Frage "Begleitung von Sterbenden und Sorge um die Verstorbenen". Warum ist das einfach so aufgegeben worden und die Leute kommen einem jetzt mit dem Tibetischen Totenbuch, als sei es das Maß aller Dinge? Haben wir das vielleicht sogar selbst zu verschulden, weil wir unsere Kernkompetenz, nämlich die Spiritualität, ohne Not aufgegeben haben? Und die Menschen sich die entstandenen Lücken freilich füllen möchten - ob mit Tibetern oder Esoterikern, was auch immer? Sehr schade.
Gibt es vielleicht jemanden unter den Lesern, der ähnlich wie Johannes sich schon mit den alten katholischen Traditionen auf diesem Gebiet vertraut gemacht hat oder sie sogar noch praktiziert? Dann bitte ich um weiterführende Kommentare.
Update: Beim nochmaligen Durchlesen der verlinkten Sterbelitanei musste ich ein bisschen schmunzeln. Immerhin haben wir ja angeblich diese fürchterliche und inhumane Religion, die die Menschen stets nur mit der Hölle und der ewigen Verdammnis bedrohen konnte. Naja ... Die Litanei ist gegen das Tibetische Totenbuch jedenfalls extrem unbedrohlich.
ElsaLaska - 2. Mai, 21:15
Mir persönlich...
Im alten Schott unter Allerseelen bzw. Messen für Verstorbene - Erste Messe zu finden. In meiner Ausgabe Seite [178]. Dort werden alle für mich wesentlichen Elemente angesprochen. Sünde+Schuld, Jüngstes Gericht, Auferstehung, Reue und barmherzige Gnade. Leider wie meistenorts die schwarzen Paramente nicht mehr im Gebrauch, weil man sich dünkte, es würde die österliche Frohbotschaft nicht ausreichend vermitteln. Siehe hierzu Sacrosanctum Concilium Kapitel III Nr. 81 und die durchgeführten Veränderungen daraufhin.
Klassische musikalische Bildung habe ich auch nicht, von der her ich Requiems etc verstehen könnte.
Dies irae ist jedenfalls für eine Totenmesse vorgesehen (gewesen)?
Ohne Meßbuch kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob sie an die Stelle des Antwortpsalms nach der Lesung treten, oder
zusätzlich sind (NO)
In der "alten Messe" wurde in der Ersten Messe zu Allerseelen die Sequenz Dies irae gebetet (gesungen) nach Lesung, Graduale und Tractus.
Allerseelen selbst hat drei Messen, die gefeiert werden durften bzw möglicherweise mußten, dazu müßte ich weiter recherchieren. (Binationsverbot trifft hierbei nicht)
Das Requiem am Todes- oder Begräbnistag ist die Sequenz auch vorgesehen. Ferner war es üblich am dritten, siebten und dreißigsten Tag
eine Gedächtnismesse lesen zu lassen, wie auch am Jahrestag. Die Sequenz ist aber nur im Requiem selbst vorgesehen.
Ein schneller Blick...
Allerseelen scheint keine Sequenz mehr zu besitzen, aber immer noch 3 Meßformulare.
Pfingsten hat eine Sequenz, die nach der zweiten Lesung vor dem Halleluja eingeschoben wird.
In der Diaspora-Gegend aus der ich stamme, sind sie nicht (mehr?) üblich.
Es gab sogar bei manchen Priestern Bestrebungen ein Requiem mit der normalen Tagesmesse zu verbinden,
oder es diese ersetzen zu lassen. Begründung: "Priestermangel"
Stärkster Tobak war dabei eine Messe mit 4 Intentionen:
Requiem
Totengedächtnis A
Totengedächtnis B
Danksagung für Goldene Hochzeit
Neben der Berücksichtigung der Tagesliturgie hätte man da ein schönes Potpourri an liturgischen Elementen anrühren können.
Aus meiner Zeit in Bayern kenne ich noch den Gebrauch, für Verstorbene Rosenkränze zu beten.
(Offizielle Termine in der Kirche, nicht privat)
Ja, ...
Die Erzählungen meines Vaters über seine Auslandsreisen vorkonziliar, in Länder deren Sprache er kaum verstand, berichten ähnliches,
wenn er sagt, daß er nur in die Messe in einer katholische Kirche gehen mußte, und wußte wo sie gerade sind, und mitfeiern konnte.
Ich kenne das nachkonziliare Rätselraten anhand der Gesten und mancher griechischer oder hebräischer Worte, die gemeinsam sind, wo
in der Liturgie man sich gerade befindet. Das Latein hat da wirklich was von der Una Sancta Catholica et Apostolica.
Übrigens herzlichen Glückwunsch zur Viertelmillion^^
Bei meinem Opa mütterlicherseits, vor zwei Jahren, mussten wir den RK irgendwie selbst organisieren, ich weiß nicht, wie. Ich musste meinem Vater, der als Vorbeter einsprang, den Rosenkranz erst nochmal beibringen, bin selbst tapfer miteingesprungen, zum Glück waren wir bei den Franziskanern in der Kapelle, zwei Brüder haben sich erbarmt und lauter gebetet als wir. Aber dass das Gebet dazugehört, das stand für meine Familie zumindest fest, darüber bin ich froh.
Ich bedanke mich mal für die Kommentare, sie zeigen mir, dass dies einfach ein immerwährendes, bewegendes Thema ist, und sie zeigen mir, dass die Kirche da vieles wiederbeleben könnte, was leider in Vergessenheit geraten ist. Denn, unabhängig davon, ob wir jetzt alle (Nichtkatholiken, Nichtchristen etc.) daran glauben können, dass diese Rituale so dem Verstorbenen nützen oder nicht, sie können doch Menschen einfach helfen, mit einer Grenzsituation besser fertig zu werden, ob sie nun gläubig sind oder nicht. Ich habe mich ein bisschen mit Ritualforschung (Ethnologie) beschäftigt, und ich kann einfach nicht fassen, dass die katholische Kirche viele althergebrachte Rituale einfach aufgegeben hat, während mittlerweile irgendwelche crossover-Kunstritualberater das Feld mit seelenlosen Neuschöpfungen beackern.