Nach meiner Auffassung ist dieser Eintrag bzw. diese Stelle darin falsch bzw. missverständlich formuliert:
"Das Prinzip der sola gratia manifestiert sich insbesondere in Luthers Ablehnung des Ablasshandels. Die Idee, dass die Menschen anhand ihrer guten wie bösen Taten gerichtet werden, pervertiert nach Luthers Ansicht im Ablasshandel, wo jede böse Tat durch eine darauffolgende gute aufgewogen wird. Der Mensch kenne nicht Gottes "Bewertungskriterien" am Jüngsten Tag und könne daher keinen solchen Handel betreiben."
Zum einen differenziert er nicht zwischen Ablasswesen und Ablasshandel, sondern setzt beides gleich, zum anderen besteht der Ablasshandel nicht darin, böse Taten durch gute aufzuwiegen, sondern den Menschen Zusagen über die Vergebung ihrer zeitlichen (bereits sich angesammelt habenden) Sündenstrafen gegen Cash zu geben. Selbst wenn er Gottes Bewertungskriterien kennen würde, wäre ein solcher Handel eine große Verwerflichkeit und ungeheure Sünde.
Das Ablasswesen wiederum besteht auch nicht in der Idee, dass man soviel sündigen kann wie man will, man kann ja nachher wieder ganz besonders fromm sein und einen vollkommenen Ablass erwerben, sondern aus der Vorstellung, dass wir aus dem reichen Gnadenschatz der Kirche schöpfen können und dürfen - die ja der mystische Leib Christi selbst ist. Der sola gratia-Gedanke verkennt dies vollständig, meiner Auffassung nach. (Aber in Konsequenz den heiligen und göttlichen Charakter der ecclesia zu verwerfen, leuchtet mir auch ein).
ElsaLaska - 4. Mai, 13:43
Auszug aus einer Predigt zum 40. Jahrestag des II. Vatikanischen Konzils, entnommen dem Buch "Freiheit und Glaube" unseres Hl. Vaters:
"Was für ein Bild wird uns in diesem Abschnitt [der Genesis] vor Augen geführt?
Der Mensch vertraut nicht auf Gott. Von den Worten der Schlange verführt, hegt er den Verdacht, daß Gott ihm letzten Endes etwas von seinem Leben wegnehme, daß Gott ein Konkurrent sei, der unsere Freiheit einschränke, und daß wir erst dann im Vollsinn Menschen sein würden, wenn wir Gott zurück gesetzt haben; kurz, daß wir nur auf diese Weise unsere Freiheit voll verwirklichen können. Der Mensch lebt in dem Verdacht, die Liebe Gottes erzeuge eine Abhängigkeit und er müsse sich von dieser Abhängigkeit befreien, um vollkommen er selbst zu sein.
Der Mensch will seine Existenz und die Fülle seines Lebens nicht von Gott empfangen. Er will selber vom Baum der Erkenntnis die Macht dazu erlangen, die Welt zu formen, Gott zu werden, in dem er sich auf eine Stufe mit Ihm erhebt, und den Tod und die Finsternis mit eigener Kraft besiegen. Er will nicht auf die Liebe zählen, die ihm nicht zuverlässig erscheint; er zählt einzig und allein auf die Erkenntnis, da sie ihm die Macht verleiht. Anstatt auf die Liebe setzt er auf die Macht, mit der er sein Leben selbständig in die Hand nehmen möchte. Und indem er das tut, vertraut er der Lüge statt der Wahrheit und stürzt so mit seinem Leben ins Leere, in den Tod. Liebe ist nicht Abhängigkeit, sondern Geschenk, das uns leben läßt.
Die Freiheit eines Menschen ist die Freiheit eines begrenzten Wesens und ist daher selbst begrenzt.
Wir können sie nur als geteilte Freiheit, in der Gemeinschaft der Freiheiten, besitzen: Nur wenn wir in rechter Weise miteinander und füreinander leben, kann sich die Freiheit entfalten. Aber wir leben in rechter Weise, wenn wir gemäß der Wahrheit unseres Seins, das heißt nach dem Willen Gottes leben. Denn der Wille Gottes ist für den Menschen nicht ein von ihm außen auferlegtes Gesetz, das ihn einengt, sondern das seiner Natur wesenseigene Maß, ein Maß, das in ihn eingeschrieben ist und ihn zum Abbild Gottes und somit zum freien Geschöpf macht. Wenn wir gegen die Liebe und gegen die Wahrheit - also gegen Gott - leben, zerstören wir uns gegenseitig und zerstören die Welt. Dann finden wir nicht das Leben, sondern handeln im Interesse des Todes. Das alles wird mit den unvergänglichen Bildern in der Geschichte vom Sündenfall und von der Vertreibung des Menschen aus dem irdischen Paradies erzählt."
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Genesis 3: Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? 2 Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; 3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! 4 Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, 5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
6 Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. 7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
8 Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten. 9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? 10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. 11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? 12 Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß. 13 Da sprach Gott der HERR zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.
14 Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. 15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
16 Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.
17 Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.
20 Und Adam nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben. 21 Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. 22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! 23 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. 24 Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.
ElsaLaska - 4. Mai, 10:38
Ein großer Nachteil des katholischen Glaubens - nicht für mich, aber für seine Vermittlung in der Öffentlichkeit - , sind vorbelastete Begriffe wie "Erbsünde", "Fegefeuer" oder etwa "Ablässe". Alle sind mittlerweile negativ konnotiert. Ich sauge mir ja das nicht aus den Fingern, sondern es waren genau die Begriffe, die mich abstießen, als ich selbst noch agnostisch bzw. kirchenkritisch war. Ablässe, niemand weiß, was damit genau gemeint ist, aber jeder weiß, dass die mal verkauft wurden und aus der Angst der Menschen Geld gemacht wurde (ähnlich wie mit den Feinstaubplaketten heutzutage).
Fegefeuer, das ist ganz schlimm, das ist ein sehr pöses Wort, denn es verheißt den Menschen, eventuell nicht in der Wellnesshölle mit goldenen Buddhas und beheizten Wasserbetten und einem immerwährenden Sieg des FC Bayern zu landen, sondern eventuell es einige Zeit durch eigenes Verschulden aushalten zu müssen, bis es wieder besser wird (immer schlecht in der Verkündigung. Die Menschen sind nie selbst an irgendwas schuld, außer an Lungenkrebs trotz Warnungen auf der Zigarettenpackung, stehen also praktisch niemals und keinesfalls in der eigenen Verantwortung, sind in einem Sinne also quasi zu pampern).
Jetzt fehlt wieder die demutsvolle Herz-Jesu-Prosa, ich weiß.
Der Hl. Vater wird es richten. Denn ich habe eine schöne Stelle von ihm zur Erläuterung der Erbsünde gefunden. Diesen Begriff hat ja die Aufklärung und der Feminismus total verhunzt. Ein ganzer Stammtisch ist imstande, heutzutage o aja bongo-mäßig in einem hupfauf mit polternden Stühlen aufzuspringen, wenn man auch nur andeutet, dass die Erbsünde eine Realität sein könnte.
Nichts wird aber so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Die gute Nachricht ist: Die Taufe befreit uns von der Erbsünde. Bzw. ist das auch schon wieder schlecht, weil heutzutage zwei Drittel eines deutschen Stammtisches gar nicht mehr getauft sind. Sie hüpfen also zu recht in die Höhe, als glühte der Boden unter ihren Füßen.
Eine weitere gute Nachricht ist: Die Erbsünde nach der biblischen Erzählung ist ein Triumph der dominanten Frau, mithin des faktischen Feminismus. Denn wenn Adam wirklich das Haupt, der Obermacker, volle Durchblicker und der Chef im Hause gewesen wäre, hätte er sich ja auf den Scheiß erst gar nicht eingelassen - @Paulus. Die Erbsünde zeugt also nicht etwa von der Perfidie des Weibes, sondern vom unendlichen Versagen des Mannes.
Wir könnten immer noch im Paradies herumsitzen und keine Kinder unter Schmerzen kriegen müssen, wenn Adam nicht so dämlich gewesen wäre, und uns gezeigt hätte, wer zuhaus das sagen hat*gg. Also einfach Nein gesagt hätte. JA! Es IST doch so!
Jetzt habe ich mich wieder so verstiegen, da mag ich die kostbaren Worte unseres Hl. Vaters nicht in meinen Nonsens einfügen. Also ein Zitat von Papa Benedetto dazu im nächsten Eintrag.
Halten wir nur kurz fest: Beide sind schuld, Adam wegen seiner Schwäche womöglich sogar noch mehr, als Eva in ihrer Wissbegierigkeit. (Wissbegier finde ich weniger bedenklich als mangelnde Führungsqualitäten, weil Führungsqualität sich das ja wohl in die Bahnen lenken sollte - wie mich mein Job bei Daimler Chrysler lehrte).
Und bei der Erbsünde geht es nicht darum, uns einzureden, wir seien sowohl zu wissbegierig als auch zu schwach zum Führen (gell Adam), sondern um unser Verhältnis zu Gott. Das hatte allerdings einen Defekt abbekommen, und der war nachhaltig. Denn vor lauter Führungsschwäche (und das Prinzip Kaizen kannte Gott nicht im konkreten Falle und wollte es wohl auch nicht kennen) und Wissbegier, haben wir die Liebe zu Gott vergessen.
Ich glaube, so umschrieben, kann man über Erbsünde vielleicht besser sprechen.
Demnächst also die Katechese des Hl. Vaters dazu.
ElsaLaska - 4. Mai, 00:41