Mehr geben als man erhalten hat
Bei Johannes Roger habe ich diesen, sehr wahren, Gedanken gefunden:
>>Als man noch an die Wirksamkeit des Gebetes glaubte, da hatten die Bettler noch eine richtige Aufgabe und somit eine eigene Würde. Das Gebet, das sie für die verrichteten, die ihnen ein Almosen gaben, galt als wertvoller als die milde Gabe. Die Bettler hatten die hochangesehene Aufgabe, für ihre Gönner zu beten und dadurch mehr zu geben, als sie bekamen. Ein lebendiger Glaube verlieh den Armen Würde.<<
Ich habe das selbst erlebt in meiner Zeit in Damaskus. Es gab dort eine große Paradestraße, deren Name ich vergessen habe. Dort saßen sie, die Verkrüppelten, Blinden, Verstümmelten und Ärmsten der Armen, nebeneinander. Geduldig wartend. Ich gab einem besonders erbarmungswürdig aussehenden alten Mann ein Almosen und wollte, die Münze in seine Mütze geworfen habend, achtlos weitergehen.
Mein Begleiter, ein deutscher Arabist, packte mich am Ärmel und hieß mich stehen bleiben, um nicht die Würde des Bettlers zu missachten. Ich verstand überhaupt nichts, blieb aber gehorsam stehen. Der Mann hatte wahrgenommen, dass ich etwas in seine Mütze geworfen hatte und fing nun sehr umständlich und sehr ausführlich an, den Segen Allahs auf mich herabzurufen. Es dauerte eine kleine Weile, denn er verrichtete diese Aufgabe sehr ernsthaft und leierte die Segensformeln nicht einfach so herunter. Am Ende bedankte ICH mich für sein intensives Gebet und als ich endlich weiterging, war ich um eine sehr wichtige Erfahrung bereichert worden. Und fühlte mich viel mehr als Beschenkte, denn als Schenkende. Vor kurzem gab ich einem Schwarzen, der vor einem Supermarkt saß, ein wenig Münzgeld. Er verbeugte sich und bedankte sich mehrfach hintereinander. Es gab mir ein schlechtes Gefühl, diesen Mann so unterwürfig sich vor mir verneigen zu sehen und das mehrfach wiederholte Danke, Danke, Danke. Ich hätte mir von ihm gewünscht, dass er kurz für mich betet, das hätte mich nicht so sehr in Verlegenheit gebracht. Ich weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann, was ich hier schildere, aber Johannes Rogers Eintrag hat mich an diese Anlässe wieder erinnert - und er hat Recht mit seinen Worten, denn ich habe den Unterschied erlebt.
>>Als man noch an die Wirksamkeit des Gebetes glaubte, da hatten die Bettler noch eine richtige Aufgabe und somit eine eigene Würde. Das Gebet, das sie für die verrichteten, die ihnen ein Almosen gaben, galt als wertvoller als die milde Gabe. Die Bettler hatten die hochangesehene Aufgabe, für ihre Gönner zu beten und dadurch mehr zu geben, als sie bekamen. Ein lebendiger Glaube verlieh den Armen Würde.<<
Ich habe das selbst erlebt in meiner Zeit in Damaskus. Es gab dort eine große Paradestraße, deren Name ich vergessen habe. Dort saßen sie, die Verkrüppelten, Blinden, Verstümmelten und Ärmsten der Armen, nebeneinander. Geduldig wartend. Ich gab einem besonders erbarmungswürdig aussehenden alten Mann ein Almosen und wollte, die Münze in seine Mütze geworfen habend, achtlos weitergehen.
Mein Begleiter, ein deutscher Arabist, packte mich am Ärmel und hieß mich stehen bleiben, um nicht die Würde des Bettlers zu missachten. Ich verstand überhaupt nichts, blieb aber gehorsam stehen. Der Mann hatte wahrgenommen, dass ich etwas in seine Mütze geworfen hatte und fing nun sehr umständlich und sehr ausführlich an, den Segen Allahs auf mich herabzurufen. Es dauerte eine kleine Weile, denn er verrichtete diese Aufgabe sehr ernsthaft und leierte die Segensformeln nicht einfach so herunter. Am Ende bedankte ICH mich für sein intensives Gebet und als ich endlich weiterging, war ich um eine sehr wichtige Erfahrung bereichert worden. Und fühlte mich viel mehr als Beschenkte, denn als Schenkende. Vor kurzem gab ich einem Schwarzen, der vor einem Supermarkt saß, ein wenig Münzgeld. Er verbeugte sich und bedankte sich mehrfach hintereinander. Es gab mir ein schlechtes Gefühl, diesen Mann so unterwürfig sich vor mir verneigen zu sehen und das mehrfach wiederholte Danke, Danke, Danke. Ich hätte mir von ihm gewünscht, dass er kurz für mich betet, das hätte mich nicht so sehr in Verlegenheit gebracht. Ich weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann, was ich hier schildere, aber Johannes Rogers Eintrag hat mich an diese Anlässe wieder erinnert - und er hat Recht mit seinen Worten, denn ich habe den Unterschied erlebt.
ElsaLaska - 12. Nov, 16:58
@bonanzamargot
Und das eine schließt das andere überhaupt nicht aus.
ich will hier immer nur eine meinung wiedergeben, - einen aspekt der sache darstellen, der mir in deiner sichtweise zu kurz kommt.
der derzeitige papst wäre wahrscheinlich vor dem bettler in die knie gegangen und hätte dessen füsse geküsst. oder, was meinst du? natürlich kann man eine solch demutsvolle haltung von uns normalsterblichen schwerlich verlangen.
aber es zeigt doch, was ich meine ..., auch wenn ich die kirche und das ganze salbadern um gott zum kotzen finde.
Und der erste Preis für die unnötigste Nebenbemerkung geht an...
Zur Sache: Erstens hat, wie @Elsa richtig gesagt hat, vom Verlangen überhaupt niemand gesprochen. Es geht darum, wie die besagten Bettler versuchen können, ihre Würde durch das Erbringen einer Gegenleistung zu bewahren...
(Captcha: "caro" - lateinisch für "Fleisch", italienisch für "mein lieber")
(neues Captcha: "toner" - was hat jetzt hier bitte der Drucker zu suchen?)
Unsere Würde wird jedenfalls nicht beschädigt, wenn wir den Bettlern erlauben, das Almosen mit einem es an Wert unendlich übertreffenden Gegengeschenk zu vergelten... (Das berührt jetzt nicht die Frage, ob ich ein muslimisches Gebet unbedingt auch so gern hätte, aber sei das mal dahingestellt.)
Captcha: "baugh"... was ist denn heute los?
Wo präzise hast Du hier irgendwelche Heuchelei vorgefunden?
Kann ja sein, daß es das gibt, es wäre (!) dann das alte und trotzdem nicht falsche Lied davon zu singen, daß zu den Gläubigen auch Sünder gehören.
Erstmal müßte aber die Anklage fundiert werden. Also, wo genau wird hier geheuchelt?
- Nochmal zum Begriffsgebrauch, weil mir das wichtig erscheint, und am Beispiel des Almosengebens.
1. Ein Heuchler ist, wer vorgibt, aus Frömmigkeit, allgemeiner Philanthropie, Gutherzigkeit usw. ein Almosen zu geben, tatsächlich aber primär auf den Beifall der Leute aus ist.
2. Kein Heuchler ist
- wer weniger gibt als er könnte,
- wer offen heraus auf den Beifall der Leute aus ist und das auch nicht verheimlicht (klassisches Beispiel der geschäftliche Sponsor),
- wer tatsächlich aus Frömmigkeit, Philanthropie, Gutherzigkeit usw. spendet, zum Beifall der Leute aber auch nicht nein sagt.
- an einem anderen Beispiel wer eine religiöse Übung vornimmt, obwohl er ein Sünder ist.
Wo also herrschen gerade in unserer heutigen offenen und vielleicht allzu offenen Gesellschaft ("Heuchelei ist das Kompliment des Lasters an die Tugend") ausgerechnet bei den religiösen Leuten so Abgründe an Heuchelei?
Aber mit Begründung bitte. "Den religiösen Leuten hat man halt immer Heuchelei vorgeworfen, ich mag sie nicht und gewiß könnten sie das eine oder andere Ding noch besser tun" ist aber keine, gell.
Captcha: golf ... mann mann mann, der Captcha-Generator hat aber heut nen guten Tag.
Ich sagte, dass es "so manche" Heuchler unter den Gläubigen gibt. Und ich benannte ausserdem niemanden persönlich.
Du unterstellst aber unterschwellig einen Zusammenhang von Heuchelei und (sichtbarer) Religiosität. Das ist wie gesagt eine Anklage. Ich bin gerne bereit, die Begründung zu hören. Ich bin aber nicht bereit, mir das irgendwo zusammenzusuchen, wo ich es, mag sein, wegen meines Mangels an Allgemeinbildung und Commonsense überlesen habe.
Ich verstehe Dich also so, daß Du Deine Anklage zurückziehst.
Captcha: "mass"... nein, mit dem Bier warte ich noch bis heute abend.
Ach ja
Wieviele Leute tun so, als ob sie gut wären, während sie in Wahrheit böse* sind? [*Schwachheit ist keine Heuchelei. Gut sein und theoretisch noch besser sein zu können auch nicht.]
Daß sie unter den "Idealisten und Gläubigen" mehr auffallen, spricht aber nicht gegen diese. Wobei, moment: liegt es nicht gerade im Wesen eines Heuchlers, daß er gerade nicht auffällt?
(Das war jetzt theoretisch. Aber auch praktisch hat, wenn er auffällt, seine Heuchelei zumindest keinen Erfolg gehabt; und es spricht nebenbei bemerkt eigentlich für ihn, daß er dieses Werkzeug so schlecht beherrscht.)
Aber, tja, wenn die Menschen so schlimm doch gar nicht sind, wo begehen sie dann die Heuchelei?
Nochmal, Heuchelei bedeutet, etwas vorspielen, was man nicht ist.
Ich hätte nen Vorschlag. Sag doch einfach mal, was genau für Taten Du unter Heuchelei verstehst. Ich hab so die leise Ahnung, daß ich dann sage: "Ja, das tun die Leute durchaus, es ist aber nicht Heuchelei, sondern völlig legitim".
Schon mal vorweg einiges, was *keine* Heuchelei ist:
1. gläubig sein und, obwohl irgendein Ungläubiger irgendwann mal was davon gehört hat, daß Glaube bisweilen was mit Verzicht zu tun hat, sich einen Schweinsbraten schmecken zu lassen, eine Maß Bier dazu zu trinken und hernach eine Zigarette zu rauchen,
2. aus der Kirche rauskommen und dem Bettler vor der Tür kein Geld geben,
3. einem Bettler Geld geben, sich dabei aber nicht vor ihm niederknien,
4. einem Bettler Geld geben und sich dann gleich aus dem Staub zu machen,
5. einem Bettler ein Fünfzigerl geben, obwohl man auch einen Euro hat,
usw.
Was, zur Klarstellung, so etwas ähnliches wie Heuchelei* ist - und, insofern Zustimmung, *wenn* die Heuchelei nicht den Seelenzustand betrifft oder einer wirklich im klassischen Sinn einen auf frommer / gerechter Mann macht obwohl er das nicht nur aus Schwäche nicht ist, sondern weniger wichtige Dinge betrifft, dann muß nicht jeder Heuchler böse sein, dann besteht aber auch kein Grund, das Schimpfwort "Du Heuchler", so wie es verstanden wird, zu verwenden oder die Verweise Christi gegen die Heuchler in ihrer vollen Schärfe anzuwenden - was, wie gesagt, so etwas ähnliches wie Heuchelei* ist, ist, wenn einer abends im Wirtshaus sein gemütliches Bier trinkt, aber, weil das zu tun, obwohl völlig unproblematisch, öffentlich nicht so angesehen ist, sagt, er habe so viel Streß und müsse sich deswegen besonders entspannen, obwohl er Student außerhalb der Prüfungszeit ist.
Das ist das Problem an *unbegründeter* Moral (hier der protestantischen Arbeitsethik, die ein tatsächliches "es wäre gut wenn" durch "schäm dich wenn nicht" ersetzt), daß sie die Leute, die nur ihre legitimen Rechte nutzen wollen, nachgerade in die Heuchelei* hineintreibt.
Es ist aber, wie gesagt, nicht der wirklich schlimme Fall von Heuchelei, den wir meinen, wenn wir "Du Heuchler!" sagen... und auch nicht der, den man legitim heranziehen kann, um auf den Gläubigen herumzuschimpfen. :-)
[* Klassischerweise unterscheidet man die Heuchelei, die durch Gesten, Haltungen u. dgl. betrieben wird, von der Lüge, welche durch Worte betrieben wird; daher "so etwas wie Heuchelei", weil es sich in meinem Beispiel präzise gesprochen um Lüge und nicht eine wortlose Handlung geht. Wie gesagt, ich mag das haarspalten^^]