Distriktoberer der FSSPX Deutschland mit kath.net bietet nicht nur eine Fülle von Informationen zum bisherigen Verlauf und dem aktuellen Stand der Gespräche mit Rom, sondern auch hochinteressante Antworten auf Fragen, die jenseits der theologischen Dispute über die richtige Herangehensweise an die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils liegen. Zum Beispiel hier eine Fragestellung, die mich auch schon beschäftigt hat: Wie hält man den Laden in einer solch schwierigen Situation seelsorgerisch verantwortungsvoll zusammen? Die Lage ist ja nicht nur für uns "normale Katholiken" verworren, schwer einzuschätzen und spannungsreich. Hier die Antwort:
>>Worin bestehen die größten Hürden in der Seelsorge für die der FSSPX verbundenen Gläubigen, worin die Chancen? Sehen auch Sie die Gefahr, einen unwiederbringlichen „kairos“ zu versäumen?
Schmidberger: Zunächst einmal hat man es in der Seelsorge immer mit Menschen zu tun, die allesamt unter den Folgen der Erbsünde stehen, wobei wir selber, die Seelsorger, nicht davon ausgenommen sind. Insofern muss man ständig gegen Eigenwillen, Besserwisserei, ungezügelte Leidenschaften, gegen Lieblosigkeiten, Mangel an Eifer und Lauheit im Glaubensleben ankämpfen. Wir sind allesamt keine Heiligen, aber wir rufen unsere Gläubigen zum Streben nach Heiligkeit auf und wir ringen mit uns selbst täglich darum, dass Christus in uns Gestalt annehme. Sodann müssen auch wir in unseren Reihen unablässig vor den Zeitirrtümern warnen und auf der anderen Seite mancher Bitterkeit und Übertreibung einen Riegel vorschieben.
Unsere Chance liegt darin, dass wir offen gegen die Diktatur des Relativismus, der im heutigen Ökumenismus überall durchbricht, predigen und vor der Angleichung an die moderne Welt mit ihren Irrtümern warnen können. Jene Menschen, die sich unserer Seelsorge anvertrauen, sind im Allgemeinen engagierter, opferbereiter und konsequenter. Im Übrigen nehmen sie im Augenblick an einem Rosenkranzkreuzzug teil, damit die Kirche aus ihrer schweren Krise herausfinde und das Unbefleckte Herz Mariens triumphiere. Denn letzten Endes geht es nicht um die Piusbruderschaft, sondern um die Kirche als die unbefleckte Braut Jesu Christi.<<
Die gesamte Lektüre des Gespräches lohnt sich also auch von daher, weil man etwas über das Selbstverständnis der FSSPX erfährt. Viele Äußerungen P. Schmidbergers sind mir theoretisch zwar eingängig - aber ganz ehrlich gesagt scheinen sie mir wenig praktikabel, wenig von dem Alltag und der Lebenswirklichkeit des Heiligen Vaters zu wissen. Etwa hier:
>>Wir wollen also nicht wie der Herr Bundestagspräsident einen anderen Papst, sondern wir wollen, dass der jetzige Papst, Benedikt XVI., den Vertretern der anderen Religionen genau das sagt, was der heilige Petrus am Pfingstfest den versammelten Juden gesagt hat: Wenn ihr gerettet werden wollt, dann müsst ihr euch bekehren, an den fleischgewordenen Gott Jesus Christus glauben und euch zur Vergebung eurer Sünden taufen lassen (Apg 2, 38).<<
Es ist nun einmal so, dass der Pontifex auch Brücken zu den anderen Weltreligionen bauen muss, es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Mit dieser Ansage würde ich mich als Jüdin, die am katholischen Glauben grundsätzlich interessiert wäre, allerdings brüsk zurückgestoßen fühlen. Mission läuft heute anders als zu Paulus' Zeiten. Daran ist nun einmal kein Vorbeikommen. Auch wenn sich am grundsätzlichen Inhalt der Botschaft nichts ändern sollte. Nur, so kann ich einem interessierten Gegenüber heutzutage nun einmal nicht mehr gegenüber treten. Ich spreche aus Erfahrung. Ich bin zu meinen Agnostikerzeiten nämlich von penetranten Freikirchlern ungefähr in diesem Stil anmissioniert worden (nix gegen Paulus, der war ja keiner ... )
Am Problematischsten finde ich den Einstieg - ich erlaube mir, direkt hinein zu kommentieren - wo es heißt:
>>Wie kann es bei einer prinzipiellen Übereinstimmung zu gegenteiligen Schlussfolgerungen kommen und worin bestehen diese?
[Anm: Das ist in der Tat seit Bischof Fellays Predigt in Winona eine hochinteressante Frage.]
Schmidberger: Dies passiert, wenn man um alles in der Welt, mit Willen statt mit Verstand, die Aussagen des II. Vatikanums in voller Harmonie mit dem vorausgehenden Lehramt sehen will, selbst um den Preis von Widersprüchen. Und dazu hat man ein Zauberwort erfunden: „Hermeneutik der Kontinuität“.
[Anm.: Leider liegt hier ein völliges Missverständnis gegenüber dem Begriff "Hermeneutik" vor. Es geht nicht darum, ein Zauberwort zu finden, schon gar nicht darum, den Verstand auszuschalten, im Gegenteil. Es geht darum, einen Schlüssel zu finden, der dem bisherigen, in Teilen fahrlässig oder sogar missbräuchlich angewendeten Interpretationsschlüssel entgegengehalten werden kann und soll.]
Geben wir dazu einige Beispiele an:
In „Lumen gentium“ heißt es gleich in § 1, die Kirche sei das Sakrament der Einheit des Menschengeschlechtes. Aber wo in der Heiligen Schrift, bei welchem Kirchenvater, in welcher päpstlichen Verlautbarung und in welchem Konzil hat man jemals etwas Ähnliches gelesen? Die Kirche ist dazu eingesetzt, den mystischen Herrenleib aufzubauen und dazu die Seelen mit dem übernatürlichen Glaubens- und Gnadenleben zu beschenken, aber eben nicht zu einer innerweltlichen Menschheitsverbrüderung.
[Anm: Zitat aus LG 1: "„Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ ->Näheres dazu erläutert ausführlich der Katechismus 775. M.E. nach ist die von P. Schmidberger gewählte Formulierung eine aus dem Zusammenhang gerissene Verkürzung, die nicht den Sinn des in LG gemeinten vollständig wiedergibt. Außerdem spricht ja gerade die Offenbarung des Johannes von allen Völkern und Nationen vor dem Thron Gottes - es ist also sogar eine eschatologische Äußerung.]
Oder nehmen Sie „Lumen gentium“ Nr. 16: Seit wann beten wir mit den Moslems den einen Gott an? Diese verehren Allah, wir die allerheiligste Dreifaltigkeit – das ist nicht dasselbe!
[Anm: Hier kann ich P. Schmidberger folgen, mit der Formulierung in LG 16 bin ich selbst nicht sonderlich glücklich. Ich muss aber dazu sagen, dass sie mich nicht direkt von der Einheit mit dem Heiligen Stuhl wegtreiben könnte:-) "Der Heilswille umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird."]
In Nr. 8 desselben Dokumentes heißt es, die Kirche Christi subsistiere – sei verwirklicht, bestehe in der katholischen Kirche. Papst Pius XII. lehrt ausdrücklich in voller Einheit mit dem Lehramt bis zum II. Vatikanum: Die Kirche Christi ist die katholische Kirche.
[Anm: Hier ist Pater Schmidberger einfach nicht auf der Höhe der Errungenschaften moderner Theologie. Ich darf einen FB-Freund, Dipl.Theologe, zitieren:
"Dass P. Schmidberger hier mit dem "subsistit in"-Argument kommt, zeigt überdeutlich, dass er sich nie die Mühe gemacht hat, sich ernsthaft mit der Angelegenheit auseinanderzusetzen. Sonst wüsste er längst, dass der konservative Sekretär der Theologischen Kommission und frühere Mitarbeiter Pius' XII., P. Sebastian Tromp SJ, diesen Ausdruck eingebracht hat, um damit die Identität der katholischen Kirche mit der Kirche Jesus Christi gegenüber dem "est" noch zu bekräftigen und nicht abzuschwächen! Alexandra von Teuffenbach, die die Konzilsakten in den vatikanischen Archiven studiert und die Tagebücher P. Tromps ausgewertet hat, hat dies in ihrer Dissertation "Die Bedeutung des subsistit in (LG 8). Zum Selbstverständnis der katholischen Kirche" (München 2002) niedergelegt. Kurzgefasst kann man das nachlesen in ihrem Büchlein "Aus Liebe und Treue zur Kirche. Eine etwas andere Geschichte des Zweiten Vatikanums" (Berlin 2004) in den Kapiteln "Sebastian Tromp SJ" (S. 36-47) und "Warum die Kirche ihre eigene Sprache sprechen muss. Das 'subsistit' gibt seit Jahrzehnten Anlass zu Fehlinterpretationen" (S. 48-56) sowie in ihrer Biographie über Papst Pius XII. "Pius XII. Neue Erkenntnisse über sein Leben und Wirken" (Aachen 2010), S. 270-273)." Soweit Markus Schmitt.]
Soweit der erste Teil, zu den weiteren aufgezählten Beispielen in der ersten Antwort von P. Schmidberger mache ich besser einen zweiten Teil, um das Ganze lesbar zu halten.
Links:
Zum Gespräch von Dr. Armin Schwibach mit Pater Schmidberger FSSPX für kath.net
Lumen Gentium auf Deutsch
Gaudium et Spes (davon ist auch noch die Rede im Verlauf der ersten Frage, zum Nachschlagen)